09.04.2025 | Redaktion | SVR

Mangelnde politische Beteiligung

SVR untersucht Teilhabechancen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte

In Deutschland hatte 2023 knapp 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Im deutschen Bundestag sind sie mit 11,6 Prozent der Abgeordneten aber weiter deutlich unterrepräsentiert. Wie der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) in einer Studie feststellt, sind besonders junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte seltener politisch aktiv (11 Prozent) als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte (40 Prozent). Das zeigen quantitative Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer 2024.

Titelseite der Studie

Der Studie zufolge hemmen mangelnde politische Bildung, fehlende Zugänge zu und Repräsentation in der Politik sowie Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen politische Teilhabe. "Aus integrationspolitischer Sicht ist das problematisch, da Teilhabe politische Zugehörigkeit symbolisiert und die Identifikation mit dem Gemeinwesen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann", sagt Nora Storz, Co-Autorin der Studie und Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Stab des SVR.

Mithilfe qualitativer Interviews sucht die Studie nach den Ursachen für das Beteiligungsdefizit junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Einige Befragte sehen ihre Interessen in der aktuellen politischen Landschaft nicht gut vertreten. Sie wünschen sich eine gezieltere Ansprache durch die Politik, zum Beispiel an Orten, die verstärkt von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte frequentiert werden, etwa in Schulen oder benachteiligten Stadtteilen, aber auch in den sozialen Medien. Das würde den Zugang zur Politik erleichtern, denn oft fehlt es den Befragten an Wissen über politische Strukturen und Beteiligungsmöglichkeiten. Dafür ist auch politische Bildungsarbeit entscheidend.

Die Studie empfiehlt, Angebote politischer Bildung schon ab dem Grundschulalter an allen Schulformen vorzusehen. Planspiele, Exkursionen und Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern seien Möglichkeiten, um Politik lebensnah zu vermitteln. Auch Vereine, Migrantenorganisationen und sonstige zivilgesellschaftliche Akteure können aus Sicht der Autorinnen dabei eine zentrale Rolle spielen.

Von Diversifizierung profitieren

Viele Befragte berichten in den Interviews von Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Diese motivieren manche dazu, sich politisch zu beteiligen, um der Ungerechtigkeit etwas entgegenzusetzen. Andere halten eben diese Erfahrungen davon ab, sich politisch zu engagieren. "Hier sind gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen wichtig, die eine Teilhabe ohne Rassismuserfahrungen ermöglichen. Hierzu können Antirassismustrainings für Personen in politischen Führungspositionen und Lehrkräfte einen Beitrag leisten", sagt Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR.

Viele Befragte nehmen Parteien als nicht-diverse Räume wahr, die weder ihre Erfahrungen noch Perspektiven anerkennen. Dabei würden auch Parteien von der Diversifizierung profitieren. Indem sie die Interessen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berücksichtigen, können sie auch neue Mitglieder und Wählerstimmen gewinnen.

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