25.04.2025 | Redaktion | IAB
Jugendliche für Ausbildung gewinnen
Ergebnisse einer Online-Veranstaltung der OECD und des IAB
Auch wenn sich der deutsche Ausbildungsmarkt in den ersten Jahren nach der Corona-Krise etwas erholt hat, ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2024 wieder leicht zurückgegangen. Mit der Frage, wie Berufsstarter und Betriebe besser zusammenfinden können, hat sich Anfang April eine Online-Veranstaltung des OECD Berlin Centre und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beschäftigt. Dabei wurden insbesondere mögliche Wege diskutiert, mehr Jugendliche für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion lag auf den speziellen Herausforderungen für Jugendliche, die über keinen Schulabschluss oder nur über einen (mäßigen) Hauptschulabschluss verfügen.
In einem einleitenden Vortrag berichteten IAB-Direktor Professor Bernd Fitzenberger und die IAB-Forscherin Ute Leber über aktuelle Trends am Ausbildungsmarkt. Sie hoben hervor, parallel zur sehr hohen Zahl unbesetzter Ausbildungsstellen sei festzustellen, dass viele junge Menschen keine Berufsausbildung beginnen. So habe die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss ein neues Rekordniveau erreicht.
Großes Interesse an betrieblicher Berufsausbildung
Aus Sicht von Bernd Fitzenberger ist es eine große Herausforderung, junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Die in der Studie "BeYou – Berufswahl und Du" befragten Jugendlichen sehen insbesondere Praktika, Ferienjobs und Betriebsbesuche als als besonders hilfreich an. Aber auch Einzelgespräche in der Berufsberatung oder persönliche Gespräche im eigenen sozialen Umfeld werden als sehr nützlich erachtet. Als weitaus weniger hilfreich werden demgegenüber Social Media, institutionalisierte und unpersönliche Informationsangebote oder Eignungstests am Computer eingeschätzt. Die Studie, eine neue Online-Panel-Befragung des IAB zur beruflichen Orientierung, belegt ein durchweg großes Interesse von Schülerinnen und Schülern an betrieblicher Berufsausbildung.
In der anschließenden Diskussion erörterten Karsten Froböse von der Agentur für Arbeit Thüringen Nord, Petra Gaede von der Handwerkskammer Lübeck, Hubert Ertl vom Bundesinstitut für Berufsbildung und Robert Grundke von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Problematik. Petra Gaede berichtete über das Pilotprojekt "Freiwilliges Handwerkerjahr" (FHJ), bei dem Ausbildungsinteressierte während eines Jahres vier Ausbildungsberufe in je dreimonatigen Praktika kennenlernen. Mit Blick auf "schwierige" Jugendliche plädierte Gaede für eine gezielte Unterstützung, um deren versteckte Potenziale zu heben und damit auch die eher skeptischen Betriebe von einer Teilnahme zu überzeugen.
Robert Grundke, Senior Economist bei der OECD, wies darauf hin, dass laut einer neuen OECD-Studie kein Land innerhalb der OECD ein größeres Fachkräfteproblem als Deutschland hat. Wichtig sei die Stärkung der frühkindlichen und schulischen Bildung. Denn sie schaffe die Basis für die Entwicklung von Kompetenzen in der beruflichen Erstausbildung und der Weiterbildung. Über den "Tag in der Praxis" (TiP) berichtete Karsten Froböse von der Arbeitsagentur Thüringen Nord. Das Projekt TiP bietet Schülerinnen und Schülern in Thüringen während der Schulzeit die Möglichkeit, ein Jahr lang an einem Tag pro Woche praktische Einblicke in verschiedene Unternehmen zu gewinnen. Das Programm startete in kleinem Umfang in der Corona-Zeit und wurde aufgrund des steigenden Interesses inzwischen stark ausgeweitet. Nach Froböses Einschätzung verbessert das Programm unter realen Bedingungen nicht nur die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler. Auch Schulen und Betriebe profitieren davon.
Ausbildungsbotschafter werden als authentisch erlebt
BIBB-Forschungsdirektor Hubert Ertl ging auf den Rückgang bei der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ein. Nach seiner Einschätzung müssen sich Jugendliche in einer unübersichtlichen Vielfalt von Möglichkeiten beim Übergang von der Schule in den beruflichen Werdegang erst zurechtfinden, was oft zu einer Verschiebung der Entscheidung über den Berufseinstieg führt. Ein vielversprechender Ansatz sei es, mit Ausbildungsbotschaftern zu arbeiten, die von den Jugendlichen als besonders authentisch erlebt werden.
In der abschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Schwierigkeiten junger Menschen mit Migrationserfahrungen. Bernd Fitzenberger wies darauf hin, dass der Anteil der Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, die keinen Berufsabschluss erreichen, wesentlich größer ist als bei Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte. Robert Grundke betonte, dass es in anderen Ländern mehr Möglichkeiten gibt, Teile der beruflichen Erstausbildung auf Englisch zu absolvieren. In Deutschland gebe es außerdem seltener Angebote für Teilqualifikationen. So sieht Grundke denn auch Vorteile in einer stärkeren Modularisierung der Berufsausbildung, um den Einstieg von jungen Erwachsenen zu erleichtern, die über Arbeitserfahrung verfügen, aber nicht über einen Berufsabschluss.