17.02.2021

Unbekannte Teilzeitausbildung

Die großen Chancen des Ausbildungsmodells – und die Risiken durch Corona

von Ulrike Sammet

Der Übergang in eine Berufsausbildung kann gerade für Menschen in Familienverantwortung eine große Herausforderung darstellen. Eine Ausbildung in Teilzeit bietet Jugendlichen, jungen Erwachsenen, aber auch älteren Ausbildungsinteressierten die Möglichkeit, Familie oder individuelle Lebensumstände und Berufsausbildung leichter miteinander zu vereinbaren. Auf die bisherige Praxis und die Neuregelungen des BBiG blickt Ulrike Sammet vom Netzwerk Teilzeitausbildung Baden-Württemberg unter dem Dach der Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*politik. Sie zeigt auch die erschwerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Durchführung des Ausbildungsmodells.

Die Teilzeitausbildung ist 2005 im Berufsbildungsgesetz (BBiG) aufgenommen worden. Bis Ende 2019 war dort geregelt, dass eine Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit bei berechtigtem Interesse möglich ist. Ein berechtigtes Interesse war zum Beispiel gegeben, wenn Auszubildende ein eigenes Kind oder einen pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen haben oder vergleichbar schwerwiegende Gründe vorlagen. Das konnten gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderungen, aber auch die Teilnahme am Leistungssport sein.

Durch die Neuregelung des BBiG sollte die Teilzeitberufsausbildung gestärkt und geöffnet werden. Seither gibt es keine Restriktionen in Bezug auf bestimmte Personengruppen mehr. Auf diese Weise haben neben den genannten Personengruppen auch andere Interessierte Zugang zu dieser Ausbildungsform.

Die Teilzeitausbildung in der dualen Ausbildungspraxis

Zunächst muss der ausbildende Betrieb einverstanden sein und eine Teilzeitausbildung in seine betrieblichen Abläufe integrieren können. Sind sich Betrieb und Auszubildende*r einig, wird ein Ausbildungsvertrag mit dem Zusatz Teilzeit bei der zuständigen Kammer eingereicht. Diese muss ihre Zustimmung geben. Auch eine Umwandlung von Voll- in Teilzeitausbildung ist möglich, zum Beispiel bei einem Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft während der Ausbildung.

Regelungen zur Anpassung der Arbeitszeit

Reduziert wird die Zeit, die im Betrieb gelernt und gearbeitet wird. Welcher Stundenumfang gewählt wird und wie die wöchentliche Arbeitszeitgestaltung im Einzelnen aussieht, ist von den individuellen Absprachen und Vereinbarungen zwischen dem Betrieb und den Auszubildenden abhängig. Nach der neuen Gesetzeslage darf die Kürzung der Ausbildungszeit 50 Prozent nicht übersteigen. Die Zeit, die in der Berufsschule verbracht wird, bleibt wie bisher von der Teilzeitregelung unberührt, das heißt, der Besuch der Berufsschule entspricht dem einer Vollzeitausbildung.

Während das neue Gesetz regulär von einer Verlängerung der Ausbildungsdauer ausgeht, führte eine Teilzeitausbildung nach der alten Gesetzeslage nicht grundsätzlich zu einer Verlängerung der Gesamtausbildungsdauer.

In der bisherigen Praxis der betrieblichen Ausbildung in Teilzeit haben sich zwei Modelle herauskristallisiert. Im ersten Fall ist es zu einer geringeren Reduzierung der Wochenstundenzahl bei einer Beibehaltung der regulären Ausbildungsgesamtdauer gekommen. Zum Beispiel dauerte die Teilzeitausbildung bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 bis 30 Stunden einschließlich Berufsschulunterricht in der Regel drei Jahre. Im zweiten Fall ist es zu einer stärkeren Reduzierung der Wochenstundenzahl gekommen (20 bis 24 Stunden) und die Gesamtdauer der Ausbildung verlängerte sich um bis zu maximal einem Jahr.

Das erste Modell, also eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beibehaltung der regulären Ausbildungsdauer, ist vor allem für Auszubildende attraktiv, die durch Kindererziehung gebunden – und gleichzeitig aufgrund ihrer Lebenserfahrung gut organisiert und hoch motiviert – sind. Diese Personengruppe zählt bisher zur stärksten Gruppe derjenigen, die sich für eine Teilzeitausbildung entscheiden.

Schulische Ausbildungen in Teilzeit

Neben dualen Ausbildungen sind auch schulische Ausbildungen in Teilzeit vereinzelt möglich, zum Beispiel in der Ausbildung von Altenpfleger*innen, Altenpflegehelfer*innen oder Gesundheits- und Krankenpfleger*innen. Vereinzelt gibt es spezielle Teilzeitausbildungsklassen. In anderen schulischen Ausbildungsmodellen werden die Praxis in Teilzeit und der schulische Teil der Ausbildung in Vollzeit absolviert.

Ebenfalls zum 1. Januar 2020 kam es mit der generalisierten Pflegeausbildung zu Veränderungen in Ausbildungsgängen der Pflegeberufe. Die Pflegeausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege waren zuvor getrennt geregelt. Im neuen, reformierten Pflegeberufegesetz wurden sie zusammengeführt.

Auch diese Reform hat Auswirkungen auf die Pflegeausbildungen in Teilzeit, die bisher noch nicht vollumfänglich einzuschätzen sind. Die ersten Erfahrungen zeigen jedoch bereits jetzt einen Rückgang der Teilzeitausbildungen in Pflegeberufen, da diese durch die Generalisierung schwieriger umzusetzen ist. Hier sind neue konzeptionelle Ideen für Teilzeitausbildungsmodelle sowie die Unterstützung der ausbildenden Stelle gefordert.

Teilzeitausbildungen als Umschulungen

Für Bezieher*innen von Arbeitslosengeld kommt gegebenenfalls auch eine betriebliche Einzelumschulung in Teilzeit in Frage: Die betriebliche Umschulung findet dann wie eine duale Teilzeitausbildung im Betrieb und an der Berufsschule statt. Die Form der überbetrieblichen Umschulung in Teilzeit findet bei einem Bildungsträger statt, der die Funktion des Ausbildungsbetriebes übernimmt. In der Regel enden Umschulungen mit dem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Die Aufnahme einer Umschulung ist nur in Absprache und mit Zustimmung des Jobcenters oder der Agentur für Arbeit möglich. Meist wird die Testung der Eignung für den gewünschten Beruf vorausgesetzt, zum Beispiel durch einen Berufseignungstest oder eine psychologische Untersuchung. Für die Aufnahme einer Umschulung ist ein Bildungsgutschein erforderlich.

Begleitung durch Bildungsträger vor und während der Ausbildung

Bildungsträger bieten Interessierten einer Teilzeitausbildung Maßnahmen zur Vorbereitung an. Auch die Begleitung zu Beginn oder während der Ausbildung hat sich als erfolgreich herausgestellt. Diese Maßnahmen bewähren sich in der Praxis sehr und erhöhen die Chance, eine Teilzeitausbildung erfolgreich aufzunehmen und zu absolvieren. Durch die bisherige Beschränkung, dass für die Aufnahme einer Teilzeitausbildung ein berechtigtes Interesse vorliegen muss, handelt es sich häufig um Personen, deren Berufsbildungsbiographien beispielsweise aufgrund von Familienphasen nicht stringent verlaufen sind. Die Maßnahmen tragen zur Orientierung und persönlichen Stabilisierung der Teilnehmenden bei. Diese bestehen in der Regel aus einem Mix an Einzelcoaching/-clearing und Gruppenangeboten.

Klick zum VergrößernAusbildung und Kinderbetreuung unter einen Hut kriegen – keine leichte Aufgabe für junge Mütter. Bild: Kitty/Adobe Stock

Im Rahmen dieser Maßnahmen können beispielsweise Fragen der Kinderbetreuung oder der finanziellen Existenzsicherung während der Teilzeitausbildung geklärt werden. Manche Bildungsträger bieten auch Vorbereitungskurse auf die Berufsschulinhalte an. Dies ist zum Beispiel für Ausbildungsinteressierte wichtig, deren eigene Schulzeit aufgrund von längeren Familienzeiten schon weit zurückliegt. Individuelle Praktika dienen der Betriebs- und Berufserkundung.

Die Bildungsträger unterstützen auch bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen und der Ausbildungsplatzakquise. In vielen Fällen stehen sie auch während der Ausbildung den Betrieben und den Auszubildenden zur Verfügung, falls Fragen oder Schwierigkeiten auftreten – insbesondere in den ersten Ausbildungsmonaten (zum Beispiel falls geplante Kinderbetreuungsmöglichkeiten wegfallen, wenn sich durch eine neue Lebenssituation die Einkommensverhältnisse ändern, im Fall einer persönlichen Krise, wenn Nachhilfe benötigt wird, bei Fragen des Betriebs zur Stundengestaltung).

Herausforderungen für eine gelingende Teilzeitausbildung

Gute Infrastruktur vor Ort

Auch wenn Teilzeitausbildungen grundsätzlich in allen anerkannten Berufen des dualen Ausbildungssystems absolviert werden können, richtet sich die Berufswahl praktisch leider nicht nur nach der Eignung und dem Wunsch der Interessenten*innen, sondern auch nach Faktoren wie der Erreichbarkeit der Berufsschule, den Kinderbetreuungszeiten, den Möglichkeiten der Mobilität und Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr, der im ländlichen Raum problematisch sein kann sowie nach der vorhandenen Infrastruktur der Betriebe vor Ort.

Notwendigkeit individueller Lösungen

Entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Umsetzung einer Ausbildung in Teilzeit sind der Umfang sowie die wöchentliche Verteilung der Arbeitszeiten. Diese sollten vorab zwischen Betrieb und Auszubildenden und bei Bedarf auch mit der jeweiligen Belegschaft geklärt werden, damit bei den Kolleg*innen kein Unmut aufkommt, wenn Teilzeitauszubildende nicht im gleichen zeitlichen Umfang wie die anderen Arbeitnehmer*innen oder Auszubildenden im Betrieb sind. Eine einheitliche Lösung, wie es gut funktionieren kann, gibt es nicht. Während es kleine inhabergeführte Unternehmen oder Startups möglicherweise entlastend finden, wenn die auszubildende Person nur stundenreduziert im Betrieb ist, müssen andere Unternehmen individuelle Lösungen suchen, wie einerseits Öffnungszeiten oder Schichtdienste abgedeckt und andererseits die geforderten Ausbildungsinhalte vermittelt werden können. Handwerksbetriebe, die auswärts oder auf Baustellen arbeiten, verweisen beispielsweise oft auf die Schwierigkeit, Auszubildende in Teilzeit gut in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren, da die Einsätze vor Ort zeitlich schwer planbar sind und Mobilität erfordern.

Klick zum VergrößernBerufsschulzeiten und Kinderbetreuung müssen sich vereinbaren lassen. Bild: highwaystarz/Adobe Stock

Flexibilität der Berufsschulen gefragt

Neben den Zeiten im Betrieb sind auch die Zeiten der Berufsschule zu bedenken. Der morgendliche Schulbeginn kann zum Beispiel mit den Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtung kollidieren. Auch hier sind individuelle Lösungen auszuhandeln. So gibt es durchaus Berufsschulen, die ihre Unterrichtszeiten nach der erfolgreichen Vermittlung durch begleitende Bildungsträger an die Bedürfnisse der Teilzeitauszubildenden angepasst haben. In anderen Fällen bleiben Berufsschulzeiten und -orte nicht mit der Kinderbetreuung vereinbar, was dazu führt, dass nicht alle in ihrem Wunschberuf in Teilzeit ausgebildet werden können. Problematisch sind auch Ausbildungsberufe, deren Berufsschulzeiten an zentralen Orten in Blockform organisiert sind, da zum Beispiel die Betreuung eigener Kinder in diesen Ausbildungsphasen erschwert ist.

Finanzielle Unterstützung und sozialer Rückhalt

Die finanzielle Absicherung des Lebensunterhaltes während der Ausbildung, die bei Alleinerziehenden nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Kinder geregelt werden muss, erfordert ebenfalls eine gute Planung im Vorfeld der Aufnahme einer Ausbildung. Im Einzelfall können zusätzlich zur Ausbildungsvergütung finanzielle Unterstützungen wie Berufsausbildungsbeihilfe, Bafög (bei schulischen Ausbildungen), ALG II, Wohngeld, Kindergeld (für die Kinder oder die Auszubildenden selbst) oder Kindergeldzulage beantragt werden. Es ist immer der Einzelfall zu sehen. Es gelten die jeweiligen Voraussetzungen, die bei den zuständigen Ämtern zu erfragen sind und von Bundesland zu Bundesland verschieden sein können.

Hilfreich ist es, das soziale Netzwerk im Vorfeld einer Ausbildung auszubauen oder zu aktivieren. Es braucht Familienangehörige, Freund*innen oder professionelle Kräfte, die zum Beispiel im Fall von Krankheit eines Kindes oder bei unumgänglichen Überstunden einspringen oder Abhol- und Fahrdienste übernehmen können. Gerade bei Alleinerziehenden, die eventuell noch nicht lange von ihren Partner*innen getrennt sind, fehlt es manchmal an ausreichenden Kontakten.

Je länger die eigene Schulzeit zurück liegt, desto größer kann die Hürde sein, wieder zur Berufsschule gehen zu müssen. Die Hospitation in einer Berufsschulklasse des jeweiligen Berufs kann helfen, ein realistisches Bild davon zu erhalten, wie der Berufsschulalltag aussieht. Ausbildungsbegleitende Hilfen können während der Ausbildung dazu beitragen, individuelle Probleme wie Schul- oder Prüfungsangst zu mindern.

Eine gute Passung zwischen Betrieb und Auszubildenden ist für den Erfolg einer Teilzeitausbildung unumgänglich.

 

Steigerung der Bekanntheit und Abbau von Vorbehalten

Die Teilzeitausbildung ist im Vergleich zu einer "normalen" Ausbildung in Vollzeit immer noch sehr unbekannt. Häufig fehlt es bei Interessierten, aber auch bei Betrieben und Multiplikator*innen, an Informationen über die gesetzlichen Grundlagen sowie die Umsetzungsmöglichkeiten oder an guten Beispielen im persönlichen Umfeld.

Nicht zuletzt können auch bestehende Bedenken der Aufnahme einer Teilzeitausbildung im Weg stehen, wenn Unternehmer*innen beispielsweise befürchten, sich übermäßig um außerbetriebliche Probleme kümmern zu müssen oder Einbußen in Kauf zu nehmen, etwa durch Krankheit der Kinder. Eine gute Passung zwischen Betrieb und Auszubildenden ist für den Erfolg einer Teilzeitausbildung unumgänglich. Ein Praktikum im Vorfeld der Ausbildungsaufnahme trägt dazu bei, dass sich Auszubildende und Betrieb besser kennen lernen und sich beide Seiten bewusst für diese Ausbildungsform entscheiden können.

Chancen für Betriebe und Auszubildende

Klick zum VergrößernMotivation und Verantwortungsbewusstsein – eine große Stärke der Teilzeitauszubildenden. Bild: highwaystarz/Adobe Stock

Neben den hier dargestellten Herausforderungen bietet das Modell der Teilzeitausbildung den Unternehmen, die sich darauf einlassen, auch große Chancen. Unternehmen, die Lehrstellen in Teilzeit anbieten, erschließen sich völlig neue Bewerber*innenkreise: Teilzeitauszubildende verfügen oft über einen hohen Schulabschluss und zeichnen sich durch großes Verantwortungsbewusstsein sowie hohe Team- und Leistungsorientierung aus. Sie haben oft eine starke Motivation und wissen die Chance, in ihre berufliche Zukunft starten zu können, sehr zu schätzen. Sie bleiben ihren Ausbildungsbetrieben in vielen Fällen treu.

Auf diesem Weg gewinnen die Unternehmen neue Fachkräfte, die sich durch eine hohe Bindung an den Betrieb auszeichnen. Teilzeitauszubildende – manche beginnen noch mit Anfang 40 eine Ausbildung – sind darüber hinaus aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenssituation sehr gut organisiert, lernbereit und eigenständig. Der Ausbildungsbetrieb profitiert von ihrer Lebenserfahrung.

Den Auszubildenden bietet die Möglichkeit der Teilzeitausbildung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr zeitliche Flexibilität im Alltag. Für sie bietet sich die Chance, eine eigene berufliche Perspektive aufzubauen und dauerhaft ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Erziehende – die derzeit bei den Teilzeitauszubildenden die größte Gruppe ausmachen – sind ihren Kindern gegenüber ein Vorbild, wenn sie ihre berufliche Ausbildung in die Hand nehmen. Die Gefahr der Vererbung von Armut und fehlender Berufsbildung wird durchbrochen.

Teilzeitauszubildende sind aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenssituation sehr gut organisiert, lernbereit und eigenständig. Der Ausbildungsbetrieb profitiert von ihrer Lebenserfahrung und zeigt sich als familienfreundliches Unternehmen.

 

Änderungen zur Teilzeitausbildung im BBiG und offene Fragen zur Umsetzung

Mindestausbildungsvergütung

Dass die Teilzeitberufsausbildung in der neuen Fassung des Berufsbildungsgesetzes mit dem § 7a einen eigenen Paragraphen bekam, stärkt dieses Ausbildungsmodell grundsätzlich. Auch die neue Mindestausbildungsvergütung, die entsprechend der prozentualen Kürzung der Arbeitszeit verringert werden kann, vermindert das Risiko, dass Teilzeitauszubildende finanziell benachteiligt werden. Die Höhe der Ausbildungsvergütung für Teilzeitausbildungsverhältnisse war bislang nämlich nicht einheitlich geregelt, sodass der Betrieb und die Auszubildenden dies individuell klären mussten.
Es bleibt zu hoffen, dass sich – wie bisher – auch Unternehmen finden, die trotz Stundenreduktion die volle Vergütung zahlen.

Neue Personengruppen

Es ist davon auszugehen, dass die bisherige Hauptzielgruppe der Teilzeitausbildung – Erziehende und Pflegende – im Fokus bleiben wird. Inwieweit eine Ausbildung mit einem reduzierten Stundenumfang auch für andere Personenkreise von Interesse sein wird, muss die Praxis der kommenden Jahre zeigen. Mit Blick auf die Unternehmen und die bewilligenden Kammern stellt sich die Frage, welche Kriterien sie zukünftig bei ihren Entscheidungen anlegen, ob eine Ausbildung in Teilzeit aus ihrer Sicht akzeptabel erscheint.

Finanzierung von Unterstützungsangeboten

Für die Bildungsträger, deren Maßnahmen zur Vorbereitung einer Teilzeitausbildung zwar nicht zwingend für die Ausbildungsaufnahme vorgeschrieben sind, die sich aber in der bisherigen Praxis sehr bewähren, bleibt zu wünschen, dass sie entsprechende Angebote weiterhin finanzieren können. In Baden-Württemberg hat sich bisher die Kofinanzierung von Maßnahmen mit SGB II-Mitteln bewährt, um insbesondere Alleinerziehende zur Aufnahme einer Teilzeitausbildung zu motivieren. Weitere Personengruppen, für die eine Teilzeitausbildung in Frage kommt, benötigen voraussichtlich eine ebenso intensive Ansprache, Betreuung, Unterstützung und Begleitung. Um diese Vorbereitungszeiten zu gewährleisten, sind neue Möglichkeiten der Finanzierung von Bildungsmaßnahmen erforderlich.

Teilzeitausbildung als Umschulung

Nicht außer Acht gelassen werden sollte auch, dass Umschulungen in der bisherigen Praxis für bestimmte Personengruppen einen Türöffner für die Aufnahme von Teilzeitausbildungen darstellen.  Die Gewährleistung von Umschulungen zählt daher zu den wichtigen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, die bei vorliegender Berechtigung zum Einstieg in eine eigenständige Existenzabsicherung beitragen.

Zukünftige Herausforderungen

Aus Sicht der Praxis ist der Punkt in der BBiG-Novelle, der besagt, dass sich die Dauer der Teilzeitberufsausbildung entsprechend der Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit zwingend verlängert, als am problematischsten zu bewerten. Hier ist die größte Abweichung zur derzeitigen Praxis festzustellen. Für leistungsstarke und hoch motivierte Erziehende und Pflegende ist eine generelle Verlängerung der Ausbildungszeit, wie sie in der BBiG-Novelle vorgesehen ist, kontraproduktiv. Menschen in Familienverantwortung bleiben damit länger in einer prekären Situation. Für diese Personengruppen ist durch Bildungsträger, Multiplikator*innen und Kammern unbedingt darauf hinzuwirken, dass von der Möglichkeit, die Gesamtausbildungsdauer per Antrag zu verkürzen, auch Gebrauch gemacht wird.

Beispielsweise kann bei einem Schulabschluss der mittleren Reife oder höher im Einvernehmen mit den Teilzeitauszubildenden und dem Betrieb eine Verkürzung auf drei Jahre in Erwägung gezogen werden. Diese kann bei der jeweiligen Kammer beantragt werden, der die Entscheidung obliegt. Auch ist es dienlich, einen „Motivationsbrief“ beizulegen, damit deutlich wird, dass die Ausbildungsziele in der geplanten Zeit erreicht werden können. Auch eine Praktikumsbeurteilung seitens des Betriebs kann beim Verkürzungsantrag hilfreich sein.

Um die Vermittlungspraxis in Teilzeitausbildungsverhältnisse zu erleichtern,  braucht es von Seiten der fachpolitischen Entscheidungsträger rasche Präzisierungen für die Umsetzung. Diese könnte der BIBB-Hauptausschuss, der zur Entscheidung über die Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungsdauer laut Gesetz Empfehlungen beschließen kann, erarbeiten beziehungsweise formulieren.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Eine Analyse des BIBB zeigt, dass sich das betriebliche Angebot an Ausbildungsplätzen durch Corona im Ausbildungsjahr 2020 deutlich verringert hat. Für den Bereich der Teilzeitausbildungen ist zum aktuellen Zeitpunkt bereits deutlich zu spüren, dass die Vermittlungszahlen zurückgehen. Bildungsträger, die Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Teilzeitausbildung anbieten, berichten von besonderen Schwierigkeiten, den Kontakt zu Interessierten zu halten. Zahlreiche Informationsveranstaltungen oder Ausbildungsmessen konnten oder können nicht stattfinden. Nicht alle Ausbildungsinteressierten verfügen über eine ausreichende technische Ausstattung, um an virtuellen Beratungs- und Begleitungsmöglichkeiten teilzunehmen.

Virtuelle Beratung ist nicht für alle Interessierten zugänglich. Bild: fizkes/Adobe Stock

Ausbildungsinteressierte mit Kindern waren und sind durch Betreuungsausfälle häufig zu Hause gebunden und haben keine freien Kapazitäten, um die eigenen Ausbildungswünsche zu verfolgen. Zentrale Stellen, zum Beispiel die Jobcenter, waren und sind phasenweise schwer erreichbar oder haben Maßnahmen aufgrund von Corona eingestellt, so dass keine oder weniger Vermittlungen an die Bildungsträger erfolgen. Praktika, die oftmals essentiell sind, um einen Teilzeitausbildungsplatz zu erhalten, waren und sind durch den Lockdown kaum möglich. Auch die Ausbildungsplatzakquise ist erschwert. Bildungsträger berichten von einer spürbaren Zurückhaltung bei Betrieben, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, insbesondere dann, wenn die Auszubildenden Kinder zu Hause haben. Zum Teil ist es auch zu Absagen bereits zugesicherter Ausbildungsplätze gekommen.

Viele Ausbildungsinteressierte mit Kindern, insbesondere die Alleinerziehenden, warten ab und verschieben ihren Ausbildungsbeginn bis auf weiteres. Sie fühlen sich vom Arbeitsmarkt abgekoppelt, da zuverlässige Kinderbetreuungsmöglichkeiten und damit Planungssicherheiten für die Aufnahme einer Ausbildung fehlen. Bereits erarbeitete Betreuungskonzepte scheitern an der neuen Realität. Um die Motivation zu halten bzw. wieder aufzubauen, bedarf es der intensiven Unterstützung, zum Beispiel durch Bildungsträger.

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