Digitalisierung in der beruflichen Bildung

Potenziale und Herausforderungen – die Studienlage

von Dr. Verónica Fernández

Die Digitalisierung verändert die Berufsbildung, was sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar macht, so etwa bei der Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses oder dem Erwerb digitaler Kompetenzen. Zahlreiche Studien zeigen auf, dass sie in diesen Bereichen viele Potenziale, aber eben auch Herausforderungen mit sich bringt. Was sind die Voraussetzungen für eine gelingende Digitalisierung in der beruflichen Bildung, welche Chancen wurden und werden bereits ergriffen, wo besteht noch Handlungsbedarf? Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand.

Wie ist die Studienlage in Sachen Digitalisierung?

Die Digitalisierung verändert unsere Lebens- und Arbeitswelt und die Art, wie wir kommunizieren, arbeiten und lernen. Dadurch verändern sich auch maßgeblich die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Bildung. Die Auswirkungen der Digitalisierung im Bildungskontext machen sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar: auf der individuellen Ebene geht es um den Erwerb digitaler Kompetenzen und die Effekte des Einsatzes digitaler Medien auf andere Kompetenzbereiche, auf der prozessualen Ebene um die Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses und auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene um die Fachkräftesicherung und die Verwirklichung gesellschaftlicher Teilhabe. In Bezug auf die Berufsausbildung ist die Frage danach von besonderer Bedeutung, wie sich die Digitalisierung auf die Veränderungen von Tätigkeits- und Berufsprofilen auswirkt und inwieweit sich diese in Ausbildungsordnungen und Curricula niederschlagen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Um sicherstellen zu können, dass Auszubildende über digitale Kompetenzen verfügen und auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet sind, tritt ab August 2021 die neue Standardberufsbildposition "digitalisierte Arbeitswelt" in Kraft.

Standardberufsbildposition "digitalisierte Arbeitswelt"

Standardberufsbildpositionen sind Inhalte, die im Laufe der Ausbildung vermittelt werden müssen und nicht berufsspezifisch sind. Sie sind in den Ausbildungsordnungen und im Ausbildungsrahmenplan geregelt, sodass alle ausbildenden Betriebe ihre Vermittlung sicherstellen müssen.

Der Hautpausschuss des BIBB hat im April 2020 modernisierte Standardberufsbildpositionen beschlossen, die vier Bereiche umfassen – einer davon ist die "Digitalisierte Arbeitswelt". Bei dieser neuen Standardberufsbildposition geht es unter anderem um den Umgang mit digitalen Daten unter Berücksichtigung von Datenschutz und -sicherheit, der Einschätzung der Risiken bei der Nutzung digitaler Medien oder der digitalen Zusammenarbeit.

Die modernisierten Standardberufsbildpositionen traten zum 1. August 2021 in Kraft.

Erläuterungen zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen (PDF)
Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (PDF)

Der vorliegende Beitrag legt den Fokus vor allem auf die Auswirkungen von Digitalisierung auf die individuellen und prozessualen Ebenen des Bildungskontexts – und damit auf digitale Medien als Instrumente zur Förderung digitaler Kompetenzen (digitale Medien als Lehr-Lern-Gegenstand) und zur Verbesserung von Lernergebnissen in anderen Kompetenzbereichen (digitale Medien als Lehr-Lern-Mittel) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020).

Lehren und Lernen verändern sich durch den Einsatz digitaler Medien. Aus didaktischer Sicht bringt die Digitalisierung neue Chancen und Potenziale, aber auch Herausforderungen mit sich. Sowohl die einen als auch die anderen werden nachfolgend näher betrachtet.

Unzureichende technische Infrastruktur und mangelnde Datenlage

Zunächst bedarf es für die Nutzung digitaler Medien als Lehr-Lern-Mittel einer technischen Infrastruktur an den Lernorten der beruflichen Bildung. Selbst wenn jedoch zurzeit die Datenlage ungenügend ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020), kann festgestellt werden, dass viele Lernorte nicht über eine ausreichende technische Infrastruktur verfügen. Dies betrifft nicht nur die Verfügbarkeit digitaler Endgeräte, sondern auch eines leistungsfähigen WLAN oder eines ausreichenden technischen Supports (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, Leibniz-Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale 2020, Bertelsmann Stiftung 2016). Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2016 verfügt die Mehrheit der Berufsschullehrkräfte über ein unzureichendes WLAN für ihren Unterricht. Allerdings variiert die Ausstattung der Berufsschulen je nach Bundesland (Bertelsmann Stiftung 2016). In nahezu allen Berufsschulen sind Desktop-Computer, Notebooks sowie Beamer in ausreichender Anzahl vorhanden, während berufsspezifische digitale Arbeitsgeräte selten verfügbar sind (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Bei der Nutzung von Tablets oder Smartphones an Berufsschulen kommen größtenteils die privaten Geräte der Lehrer zum Einsatz (Bertelsmann Stiftung 2016).

Bei den Ausbildungsbetrieben gestaltet sich die Situation anders. Laut einer vom BIBB 2019 durchgeführten Betriebsbefragung sind digitale Geräte in deutschen Betrieben nahezu flächendeckend vorhanden. Deren Nutzung variiert jedoch je nach Branche, Berufsfeld und Betriebsgröße. So werden zum Beispiel digitale Geräte in Finanzdienstleistungsunternehmen und Kfz-Werkstätten überdurchschnittlich häufig eingesetzt, während sie im Bereich der Pflege- und Erziehungsberufe selten Verwendung finden. Der Grad der Nutzung digitaler Geräte steigt mit zunehmender Betriebsgröße. Eine wichtige Rolle spielt auch die Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen. So ist in den Betrieben zwar eine ausreichende Abdeckung festzustellen, jedoch nur jeder vierte Betrieb bewertet die Geschwindigkeit als sehr gut (BIBB 2020).

Manchmal schwer zu greifen, aber unerlässlich für jede Form von Digitalisierung: die technische Infrastruktur. Bild: knssr/Adobe Stock

In der Praxis wird manchmal versucht, den Mangel an Infrastruktur mit Ansätzen wie "bring your own device" (das Mitbringen eigener Geräte) zu überwinden, allerdings sorgen diese aufgrund der mangelhaften Versorgung mit schnellem Internet nicht zwingend zu einer Verbesserung der Situation (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Eine andere Lösung könnte die gemeinsame Nutzung der technischen Infrastruktur durch verschiedene Institutionen sein (Bertelsmann Stiftung 2020a). Die Verbesserung der Ausstattung von Schulen mit digitaler Technik ist derweil das Ziel des "DigitalPakt Schule" von Bund und Ländern. Weitere Länderinitiativen sollen dazu beitragen, die Herausforderung an den verschiedenen Lehr- und Lernorten zu überwinden.

Technische Infrastrukturen sind zwar unabdingbar, gleichwohl sind sie keine hinreichende Bedingung für den wirksamen Einsatz digitaler Technologien in Lehr-Lern-Kontexten. Entscheidend ist vielmehr deren didaktische Einbindung, die pädagogische Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien beim Lehrpersonal voraussetzt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020) – und damit eine weitere Herausforderung darstellt.

Pädagogisches Personal für die didaktische Nutzung der neuen digitalen Technologien in Lehr-Lern-Kontexten nicht genügend qualifiziert

Aufgrund mangelnder Kompetenzen des Berufsbildungspersonals sowie fehlenden technischen und pädagogischen Supports werden digitale Medien oft zur Unterstützung traditioneller Lernformen – und nicht in einer innovativen Art und Weise – eingesetzt (Bertelsmann Stiftung 2016). Fachkräfte der Jugendsozialarbeit fühlen sich beispielsweise nicht ausreichend qualifiziert (KJS 2017). Derzeit werden digitale Kompetenzen des pädagogischen Personals überwiegend durch informelle Weiterbildungsaktivitäten erworben (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Es bedarf aber einer systematischen Qualifizierung des Berufsbildungspersonals sowie der Bereitstellung von Unterstützungssystemen. So sollen Angebote zur Förderung digitaler Kompetenzen in der Lehrkräfteausbildung und in beruflichen Fortbildungen aufgenommen werden (Bertelsmann Stiftung 2016).

Der Medieneinsatz findet in den Lernorten der beruflichen Bildung in unterschiedlicher Weise statt. Digitale Medien werden häufiger von Lehrkräften in Berufsschulen als von Ausbildern und Ausbilderinnen verwendet (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Und dies, obwohl deren Einsatz viele Möglichkeiten bietet, wie zum Beispiel in Form von Virtual-Reality-Lernumgebungen: durch diesen Lernansatz können Arbeitsprozesse in 3D dargestellt und mit Zusatzinformationen angereichert werden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020).

Förderung der digitalen Kompetenzen des Ausbildungspersonals

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen der 2019 gestarteten "Qualifizierungsinitiative Digitaler Wandel – Q 4.0" die Entwicklung und Erprobung von Weiterbildungskonzepten für das Berufsbildungspersonal.
So finanziert das BMBF das Projekt "Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal (MIKA)“, das vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gemeinsam mit Praxispartnern der Kammern durchgeführt wird. Ziel des MIKA-Projekts ist die Entwicklung und Erprobung von Weiterbildungsmodulen zur Förderung der Medien- und IT-Kompetenz des Ausbildungspersonals.
MIKA

Auch das bundesweite Netzwerk Q 4.0 wird im Rahmen der BMBF-Qualifizierungsinitiative gefördert. In diesem Projekt entwickeln und erproben das Institut der deutschen Wirtschaft und die Bildungswerke der Deutschen Wirtschaft sowohl branchen- als auch regionalspezifische Weiterbildungsmodule mit Fokus auf die Qualifizierung zur Anpassung der Ausbildung an den digitalen Wandel.
Netzwerk Q 4.0

Auszubildende selbst wünschen sich digitale Lernangebote, wo sie sinnvoll erscheinen. Die Mehrheit der Auszubildenden (93 Prozent) bevorzugt für den Unterricht eine Mischung aus analogen und digitalen Lernformen (Bertelsmann Stiftung 2016).

Digitale Kompetenzen junger Menschen nicht immer ausreichend für das Berufsleben

Kommunikationsmedium Nummer Eins: das Smartphone. Bild: Alessandro Biascioli/Adobe Stock

Fast alle Jugendlichen (97 Prozent) nutzen täglich das Internet und/oder ein Smartphone (mpfs 2020). Und sie fühlen sich sicher im Umgang mit digitalen Medien und Technologien: Im Rahmen einer Befragung gaben mehr als drei Viertel der Auszubildenden der Startkohorte 4 des Nationalen Bildungspanels (NEPS) an, über eine ausgeprägte Kompetenz zu verfügen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020).

Selbst wenn jedoch Jugendliche bereits vor dem Einstieg in das Berufsleben über Medienkompetenz verfügen, entspricht diese nur bedingt den Erwartungen der Ausbildungsbetriebe (vgl. Krämer 2020). Dies ist eine weitere Herausforderung für den Einsatz digitaler Medien als Lehr-Lern-Werkzeug.

Junge Menschen nutzen die Medien zum Austausch, meist ohne dabei auf zum Beispiel rechtliche, soziale oder Kommunikationsregeln zu achten (Kremer 2020). Zu einer besseren Vorbereitung auf die Anforderungen der Arbeitswelt können unterschiedliche Akteure einen Beitrag leisten, sowohl in der Allgemeinbildung als auch bereits in der frühkindlichen Bildung (Krämer 2020). So könnten Kinder und Jugendliche befähigt werden, Herausforderungen der Mediennutzung zu handhaben und mit Online-Gefahren umzugehen (zum Beispiel Cyber-Mobbing, Fake News, Hate Speech, Extremismus) (LVR 2019).

Durch digitale Technologien die Lernortkooperation verbessern

Bisher wurden verschiedene Herausforderungen des Einsatzes digitaler Medien im Bildungskontext erörtert, jedoch bietet die Digitalisierung auch eine Vielzahl von Möglichkeiten. Eine davon bezieht sich auf die Lernortkooperation. Die Kooperation zwischen den Lernorten der Berufsbildung gilt als Erfolgsfaktor des dualen Systems, jedoch weist sie Optimierungspotenzial auf, wie beispielsweise bei den inhaltlichen Abstimmungen. Derzeit erfolgt der Austausch zwischen den Lernorten Berufsschule, Ausbildungsbetrieb und gegebenenfalls Berufsbildungsstätte (ÜBS) überwiegend per Telefon, per Post oder per E-Mail (BIBB 2020). Digitalisierung bietet eine Chance, diese Zusammenarbeit der Lernorte zu verbessern. So werden im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts "LoK-DIBB" Gelingensbedingungen der Lernortkooperation im Kontext der Digitalisierung identifiziert.

Teilhabechancen durch Digitalisierung erhöhen?

Zu der Frage, inwieweit der Einsatz digitaler Medien einen Beitrag zur Inklusion benachteiligter Menschen leisten kann, gibt es keine einheitliche Position: Das liegt unter anderem daran, dass es sich hier um eine heterogene Gruppe von Personen handelt, die von den Auswirkungen der Digitalisierung unterschiedlich betroffen sein können. Auf der einen Seite wird auf die Verstärkung der Selektionsmechanismen durch das E-Learning im Bildungssystem verwiesen (Kremer 2020), während auf der anderen Seite ihre positiven Einflüsse betont werden (Heisler und Meier 2020).

Braille-Displays ermöglichen blinden Menschen das selbständige Arbeiten am Computer. Bild: zlikovec/Adobe Stock

Durch die Individualisierung des Lernens können digitale Medien einen Beitrag zur Förderung von Inklusion benachteiligter Gruppen leisten (Bertelsmann Stiftung 2020b). Denn digitale Lernanwendungen ermöglichen es, alle Lernenden entsprechend ihrer Bedürfnisse gezielt zu unterstützen (Bertelsmann Stiftung 2016). Vorlesesysteme, Braille-Displays oder Textunterstützung können Jugendlichen mit Beeinträchtigungen des Seh- oder Hörvermögens Lernangebote zugänglich machen, digitale Sprachlernprogramme die Beteiligung von geflüchteten Jugendlichen fördern (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Individualisierte Lernmaterialien können auch dabei helfen, verschiedene Bildungsniveaus anzugleichen, indem diese an das persönliche Lerntempo und den Lernstil angepasst werden (Mittermüller 2020). Darüber hinaus sind digitale Lernmedien und Online-Angebote für einige Zielgruppen, wie gering qualifizierte junge Menschen, von besonderem Interesse und werden gegenüber Fachbüchern oder Seminaren bevorzugt. Damit könnten die Teilhabechancen dieser Gruppe erhöht werden (Schmid, Goertz und Behrens 2016).

Betriebe jedoch investieren überwiegend in kostengünstige digitale Lernanwendungen, die nicht immer adäquat für benachteiligte Gruppen sind (Heisler und Meier 2020). Barrierefreie digitale Lösungen wären erforderlich, um die Teilhabe aller Auszubildenden zu fördern (Kunzendorf und Materna 2020).

Eine weitere Hürde liegt darin, dass Online-Lernen oft in Selbststeuerung erfolgt und eine gewisse Disziplin und Motivation voraussetzt, die nicht von allen Auszubildenden ohne Unterstützung erbracht werden kann (Bertelsmann Stiftung 2020b, Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Denn die Selbstlernkompetenz benachteiligter Jugendlicher, deren Lernbiografien durch negative Erfahrungen geprägt sind, kann eingeschränkt sein. Jugendliche, die nicht in der Lage sind, Lernprozesse selbständig zu gestalten, und zuhause keine Unterstützung erfahren, können dadurch weiter den Anschluss verlieren (Heisler und Meier 2020). Aus diesem Grund sind hier individuelle Lösungen erforderlich. Digitale Lernangebote müssen den Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechen und maßgeschneidert ausgestaltet sein (Mittermüller 2020).

Der Zugang zu und die Nutzung von digitalen Medien sind außerdem von individuellen und strukturellen Merkmalen wie dem Bildungsstand, dem regionalen Standort oder der sozialen Herkunft abhängig (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Beispielsweise ist der Zugang zu digitaler Technik und Endgeräten je nach sozioökonomischer Lage limitiert. So hatten 2019 fast alle einkommensstarken Haushalte einen Internetzugang, demgegenüber aber nur 80 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Diese Aspekte führen zu einer weiteren sozialen Selektion (Bertelsmann Stiftung 2020).

Digitales Projekt zur Förderung von Inklusion

Das Projekt IvÜFA ("Inklusive virtuelle Übungsfirma – Berufliche Qualifizierung für die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt des Berufsfeldes Wirtschaft und Verwaltung") zielt auf die Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durch die Virtualisierung des Übungsfirmenkonzepts.
IvÜFA

Einsatz digitaler Technologien im Übergang

In allen Handlungsfeldern des Übergangs kommen digitale Technologien zum Einsatz. Die Beispiele reichen von Virtual Reality bis zur Chat-Beratung. Innovative Ansätze werden im Rahmen von Projekten umgesetzt, wie das Beruf VR-Projekt der Firma Twinc, das virtuelle Realität zur Berufsorientierung einsetzt. Vor allem im Feld der Berufsorientierung werden zahlreiche digitale Formate von unterschiedlichen Akteuren angeboten. So bietet beispielsweise das vom BIBB im Auftrag des BMBF entwickelte Portal Berufenavi (berufenavi.de) eine Navigationshilfe, die die zahlreichen Angebote zur beruflichen Orientierung bündelt, die im Netz zu finden sind.

Die Corona-Krise hat dieser Entwicklung Vorschub geleistet. So haben sich seit Beginn der Pandemie die digitalen Angebote vervielfacht. Einige davon, wie die virtuellen Messen, sind bereits etabliert, wohingegen andere, wie virtuelle Praktika, gerade erst entwickelt werden.

Das Berufenavi ist ein Wegweiser durch die vielen Web-Angebote zur Beruflichen Orientierung – und wurde für Handys optimiert.

Die Digitalisierung hat die Kommunikation verändert. Was die jungen Menschen betrifft, so besitzen heutzutage fast alle ein Smartphone und etwa 90 Prozent bezeichnen WhatsApp als wichtigste App (mpfs 2020). Dagegen werden Telefonate, SMS oder E-Mails kaum von Jugendlichen genutzt (LVR 2019). Diese veränderten Kommunikationsgewohnheiten müssen von der Jugendsozialarbeit berücksichtigt werden (KSJ 2017, LVR 2019). Denn virtuelle Angebote wie die Online-Beratung erleichtern den Zugang für die Jugendlichen. Außerdem erhöht sich durch die Distanz die Chance, dass Beratung zu Tabuthemen angefragt wird. Allerdings kann nicht jede Beratung virtuell stattfinden, vielmehr muss abgewogen werden, in welchen Bereichen die Arbeit im Rahmen persönlicher Begegnungen besser geeignet ist (KJS 2017). Bei der Nutzung neuer Kommunikationskanäle, wie WhatsApp oder Soziale Medien, muss eine Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten erfolgen, die datenschutzrechtliche Fragen oder die Grenze zwischen Privatperson und Fachkraft betreffen (KJS 2017, Bemben 2020).

Der Einsatz digitaler Technik kann mit einem Wandel der Rolle des ausbildenden Personals einhergehen. Lehrende werden zu Coaches, Mentoren und Mentorinnen oder Prozessbegleitern und Prozessbegleiterinnen (IG Metall Vorstand 2016, Lucht, Ben Larbi und Angerhöfer 2020). In der beruflichen Ausbildung werden neue digitale Formate und Lösungen entwickelt, wie das digitale Berichtsheft, das zur Verbesserung der Lernortkooperation beitragen kann. Im Bereich digitaler Prüfungen werden derzeit im Rahmen des vom BMBF geförderten Programms ASCOT+ Prüfungsformate als Pilotprojekte entwickelt. Damit soll der Grad der Authentizität der Prüfungen erhöht werden (BMBF 2019).

Beispiele digitaler Ansätze in der beruflichen Ausbildung

ASCOT+: Entwicklung von technologiebasierte Lern- und Messinstrumente zur Kompetenzmessung von Auszubildenden in ausgewählten Berufsfeldern.
ascot-vet.net/

Bürosimulation LUCA: Plattform für kaufmännische Auszubildende, die die Möglichkeit bietet, individuell an einem simulierten Arbeitsplatz zu lernen
luca-office.de/

Online-Ausbildungsnachweis BLok: Online-Ausbildungsnachweis für duale Ausbildungsberufe, der von Auszubildenden, schulischem und betrieblichem Ausbildungspersonal gemeinsam genutzt werden kann.
online-ausbildungsnachweis.de

Ausbildung im virtuellen Verbund: Implementierung sozialer E-Learning-Elemente in KMUs, die eine gemeinsame Ausbildung im Verbund durchführen.
qualifizierungdigital.de

Digitalisierung in der Berufsbildung: viel getan, noch viel zu tun

Digitalen Technologien wird oft eine Reihe von Vorteilen zugeschrieben. Sie können das Präsenzlernen bereichern, wie beispielsweise durch die Integration von Simulationen oder Lern-Apps (Bertelsmann Stiftung 2020b). Außerdem eröffnen sie neue Möglichkeiten in Bezug auf die räumliche und zeitliche Entgrenzung von Lernen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, Heisler und Meier 2020) und können unter Umständen durch Individualisierung und Flexibilisierung die Teilhabe benachteiligter Jugendlicher fördern. All diese Chancen und Potenziale sind aber auch mit Herausforderungen und Risiken verbunden, wie beispielsweise die didaktische Einbindung im Lehr-Lern-Prozess, die eine reflektierte Nutzung digitaler Technologien voraussetzt.

Durch die Modernisierung der Standardberufsbildpositionen, die Durchführung von Projekten und die Einleitung von Initiativen wurden und werden wichtige Schritte zur Überwindung dieser Herausforderungen unternommen. Wichtige Schritte, die aber nur erste Schritte sein können, denn: Bisherige Erfolge täuschen nicht darüber hinweg, dass die Möglichkeiten beim Einsatz digitaler Medien in der Berufsbildung noch lange nicht ausgereizt und die Maßnahmen zur Förderung digitaler Kompetenzen weiter auszubauen sind.


Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2020). Bildung in Deutschland 2020. wbv Media: Bielefeld. (17.11.2021)

Bemben, J. (2020). Ethische Fragestellungen zur Digitalisierung in der Jugendsozialarbeit. In Jugendsozialarbeit aktuell. (17.11.2021)

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2020a). Digitalisierung in der beruflichen Bildung – drängender denn je! Thesen aus der Initiative "Chance Ausbildung". (17.11.2021)

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2020b). Nach der Pandemie: für eine gestaltungsorientierte Berufsbildung in der digitalen Arbeitswelt. Eine Denkschrift. Bertelsmann Stiftung: Gütersloh.. (17.11.2021)

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2016). Monitor Digitale Bildung. Berufliche Ausbildung im digitalen Zeitalter. (17.11.2021)

Bundesarbeitsgemeinschaft örtlich regionaler Träger der Jugendsozialarbeit e.V. (BAG ÖRT) (2020). Virtuelle Jugendberufsagenturen. Handlungsempfehlungen für eine jugendgerechte Ansprache bei virtuellen Angeboten. (17.11.2021)

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2021). DIGITALISIERUNG. NACHHALTIGKEIT. RECHT. SICHERHEIT. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe. (17.11.2021)

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2020a). Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis. (22.11.2021)

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2020b). Digitale Medien in Betrieben – heute und morgen. Eine Folgeuntersuchung. Verlag Barbara Budrich: Bonn. (22.11.2021)

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2019). Digitaler Kompetenzmessung in der beruflichen Bildung. Die Forschungs- und Transferinitiative ASCOT+ (22.11.2021)

Heisler, D. und Meier, J. (2020). Berufliche Förderung in Zeiten von Digitalisierung und Berufsbildung 4.0. In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrsg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 9-30.

Hochhausen, V. (13.05.2020). Virtual Reality: Berufswahl in der Schule. (17.11.2021)

IG Metall (Hrsg.) (2016). Berufsbildung 4.0: Lernen im digitalen Wandel Fünf Betriebe zeigen ihre Praxis. (17.11.2021)

Katholische Jugendsozialarbeit (KJS) (01.08.2017) [Impulspapier]. Jugendsozialarbeit 4.0?! Ein Blick auf die Auswirkungen von Digitalisierung und Mediatisierung.

Krämer, H. (2020). Entwicklung von Medienkompetenz in Zeiten der Digitalisierung: Über welche Kompetenzen verfügen Jugendliche und welchen Anteil muss Berufsausbildung leisten? In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrsg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 103-118.

Kremer, H.-H. (2020). Didaktische Gestaltung der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg – Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation. In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 165-185.

Kunzendorf, M. und Materna, D. (2020). Digitalisierung – ein "eMotor" für berufliche Inklusion?! In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrsg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 187-210.

Leibniz-Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale (2020).  Bildung in der digitalen Welt: Potenziale und Herausforderungen. Positionspapier des Leibniz-Forschungsnetzwerks Bildungspotenziale. (22.11.2021)

Lucht, M.; Ben Larbi, M. und Angerhöfer, S. (2020). Lernen für die Arbeitswelt von heute. In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrsg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 81-102.

LVR – Landesjugendamt Rheinland (Hrsg.) (2019). In digitalen Welten bewegen. Leitgedanken zur Digitalisierung in der Jugendförderung. (17.11.2021)

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2020). JIM 2020 Jugend, Information, Medien Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. (17.11.2021)

Mittermüller, C. (2020). Digitalisierung als Schwerpunkt der Hessischen Arbeitsmarktförderung – Handlungsnotwendigkeiten, Projektbeispiele und Fördersystematik. In: Heisler, D. und Meier, J. (Hrg.) (2020). Digitalisierung am Übergang Schule Beruf. Ansätze und Perspektiven in Arbeitsdomänen und beruflicher Förderung. Wbv: Bielefeld. S. 155-164.

Senkbeil, M., Drossel, K., Eickelmann, B. und Vennemann, M. (2019). Soziale Herkunft und computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich. In: ICILS 2018. Waxmann Verlag: Münster. S.301-334. (17.11.2021)