11.04.2022 | Redaktion | BIBB
Zukunftsfähige Berufsbildung
BIBB veröffentlicht "9+1 Thesen" zur Weiterentwicklung der Berufsbildung
Die Zukunft Deutschlands ist durch gesellschaftliche Umwälzungen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit sowie Klimawandel und Energiewende geprägt. Berufliche Bildung muss dazu beitragen, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen. Eine Arbeitsgruppe des BIBB sowie mehrerer Universitäten und Institute hat dazu Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik formuliert, die auf neun Thesen beruhen. Jede dieser Thesen bezieht sich auf eine andere Bildungsphase - von der Berufsorientierung über die Berufsausbildung bis hin zur Gründung von Start Ups.
Der Weg über eine berufliche Ausbildung in eine sichere berufliche Tätigkeit oder in die Selbstständigkeit scheint – so die Analyse der Arbeitsgruppe - nur noch wenig attraktiv und immer weniger zukunftsfähig zu sein, wie die Entwicklung der Ausbildungsvertragszahlen in den letzten Jahren unmissverständlich dokumentiert. Die Ursachen dafür sind vielfältig, wobei die demografische Entwicklung und der Bildungstrend in der Gesellschaft besonders bedeutsam für eine sich zunehmend entwickelnde Schieflage in den Rekrutierungsmöglichkeiten und -bedingungen der Betriebe sind. Angesichts des Fachkräftemangels stellt sich nicht nur die Frage nach der Attraktivität beruflicher Bildung an sich, sondern auch die Frage danach, ob das Angebot an Aus-, Fort- und Weiterbildung in Deutschland den gestiegenen Anforderungen einer dynamischen, sich zunehmend digitalisierenden Wirtschaft und Gesellschaft überhaupt noch genügt.
Die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe werden aus 9 Thesen abgeleitet, die verschiedenen Bildungsphasen zugeordnet und jeweils mit wissenschaftsbasierten Stützargumenten angereichert sind. Basis dieser 9 Thesen sind grundlegende Prinzipien, die eine moderne Berufsbildung ausmachen. Auf diese hat sich die Gruppe der Expertinnen und Experten normativ verständigt. Sie umfassen wesentliche, zu bewahrende Merkmale des Status quo der Berufsbildung, aber auch weiterführende Vorschläge. Diese Prinzipien werden den 9 Thesen als +1-Komponente vorangestellt.
Genannt seien hier die ersten drei Thesen, die sich auf die Berufsorientierung, den Übergangsbereich und die Berufsausbildung beziehen:
These I: Berufliche Orientierung
"Berufliche Orientierungsphasen stellen in einer komplexer werdenden Arbeitswelt betroffene Individuen und begleitende Institutionen vor Herausforderungen und sind zunehmend ein biografisches Langzeitprojekt. Berufsorientierung entfaltet dann ihr Potenzial, wenn sie als gendersensibler ganzheitlicher Prozess verstanden wird, in dem die einschlägigen Maßnahmen stärker miteinander vernetzt und von Beginn an an Berufslaufbahnkonzepten orientiert werden."
These II: Berufliche Bildung im Übergangssystem
"Die direkten Übergänge aus der allgemeinbildenden Schule in eine berufliche Ausbildung sind für einen stabil vorhandenen Anteil junger Menschen verschlossen und führen in die heterogenen Angebote des Übergangssystems. Durch die Positionierung als Chancenverbesserungssystem in der beruflichen Bildung erfährt das Übergangssystem eine Aufwertung als sinnvoller Zwischenschritt in die Berufsausbildung."
These III: Berufsausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz bzw. Handwerksordnung
"Die duale Berufsausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung verliert an Attraktivität, die Nachfrage und das Angebot sinken und die Passungsprobleme wachsen. Die Zukunftsfähigkeit der Berufsausbildung wird gesichert durch eine flexiblere, zielgruppenorientiertere und motivierende Berufsausbildung mit einer fairen Verteilung der Lasten."
Thesen VI bis IX
Die weiteren Thesen beziehen sich auf die Berufsbildung im Bereich der Pflege, die formale und die non-formale berufliche Weiterbildung, die Übergänge zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung, die Qualifizierung des beruflichen Bildungspersonals sowie den Bereich "Entrepreneurship- & Intrapreneurship".