19.11.2021 | Redaktion | Stifterverband
Vom Arbeiterkind zum Doktor?
Diskussionspapier des Stifterverbandes zeigt Bildungswege von Nichtakademikerkindern
Der Anteil von Kindern aus Nichtakademikerhaushalten, die ein Studium beginnen, hat sich leicht verbessert: Er ist seit dem Hochschul-Bildungs-Report 2017/18 um fünf Prozent auf 27 Prozent gestiegen. Wie der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in einem Diskussionspapier zeigt, ändert diese positive Entwicklung allerdings nichts an einem grundsätzlichen Trend: Die soziale Herkunft entscheidet noch immer maßgeblich über den Bildungserfolg eines Kindes. Bei Akademikerkindern münden 79 Prozent der Grundschülerinnen und Grundschüler in eine Hochschule.
Insgesamt liegt der Anteil der Kinder aus Nichtakademikerhaushalten an allen Studierenden bei nur 48 Prozent - und das, obwohl ihr Anteil an den Schulen 71 Prozent beträgt. Die größten Hürden auf dem Bildungsweg sind aus Sicht der Autorinnen und Autoren des Papiers der Übergang zu einer hochschulberechtigenden Schule und der darauffolgende Wechsel an eine Hochschule. Hier finde die "überproportionale Auslese von Nichtakademikerkindern" statt. Die größte Selektion gebe es nach wie vor beim Übergang von der weiterführenden Schule zur Hochschule: "Obwohl sich die Übergangsquote von der weiterführenden Schule zur Hochschule bei den Nichtakademikerkindern seit der letzten Erhebung signifikant verbessert hat (+11 Prozentpunkte), liegt sie heute trotz dem bei nur 59 Prozent. Bei Akademikerkindern ist diese Quote mit 95 Prozent deutlich höher."
Die Autorinnen und Autoren des Diskussionspapiers identifizieren vier Hürden beim Übergang von der weiterführenden Schule zur Hochschule:
- Mentale Barrieren: Weniger Erfahrungswerte, fehlende Rollenvorbilder
- Kompetenznachteile: Weniger lernstimulierende Umgebung, weniger Unterstützung der Eltern beim Lernen
- Informationsdefizite: Wenig Erfahrungswerte und Informationen aus dem elterlichen und sozialen Umfeld
- Finanzierung: Weniger finanzielle Unterstützung durch die Eltern
Erfolgsquoten gleichen sich an
Ist der Schritt an die Hochschule erst einmal geschafft, gleichen sich die Erfolgsquoten von Nichtakademikerkindern und Akademikerkindern allerdings deutlich an. 76 Prozent aller Nichtakademikerkinder, die sich an Hochschulen eingeschrieben haben, absolvieren das Bachelorstudium; ihnen stehen 82 Prozent aller eingeschriebenen Akademikerkinder gegenüber. Bei der Promotion besteht mittlerweile nur noch ein Unterschied von 4 Prozentpunkten: Der Anteil aller Nichtakademikerkinder, die promovieren, hat sich auf 2 Prozent verdoppelt.
Für die Verbesserung der Teilhabechancen von Nichtakademikerkindern gibt das Diskussionspapier Handlungsempfehlungen. So könnten die Schulen Informationsdefizite abbauen und aktiver für ein Studium werben. Außerdem sollten bestehende Talent-Scouting-Programme an Schulen mit Kindern aus bildungsferneren Milieus massiv ausgebaut werden. Die Politik sollte weitere finanzielle Mittel einplanen, um die Bezahlbarkeit des Studiums sicherzustellen. Denkbar wäre eine Reform des BAföG – zum Beispiel in Bezug auf höhere und ortsabhängige Wohnungszuschüsse. Hochschulen sollten bestehende Zulassungskriterien überdenken und bereits erfolgreiche Buddy- und Tandemprogramme ausbauen, um den Einstieg ins Studium zu erleichtern.
Weitere Informationen
- Stifterverband: Vom Arbeiterkind zum Doktor
Die Autorinnen und Autoren des Diskussionspapiers sind Volker Meyer-Guckel, Julia Klier, Julian Kirchherr und Felix Suessenbach. Erarbeitet wurde es in Kooperation mit McKinsey & Company.