09.09.2021 | Redaktion | WZB

Verstoß gegen UN-Konvention

Bundesländer setzen Inklusion aus Sicht des WZB mangelhaft um

Menschen mit Behinderungen dürfen nicht vom allgemeinen Schulsystem ausgeschlossen und in gesonderte Strukturen gedrängt werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Deutschland, ein inklusives Regelschulsystem und die bildungspolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dieser Verpflichtung kommen einige Bundesländer nach Einschätzung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) nicht ausreichend nach. Auch die Pflicht, relevante Daten systematisch zu erheben, wird von der Bundesrepublik Deutschland nicht umgesetzt.

Bild: andreaobzerova/Adobe Stock

Während viele Staaten weltweit Kinder mit Behinderungen schon lange – mit gutem Erfolg – hauptsächlich in Regelschulen unterrichten, hat die gesonderte Beschulung in Deutschland eine lange Tradition. Wie der "WZBrief Bildung 44" zeigt, existiert in den meisten Bundesländern ein breit ausgebautes System an Sonder- und Förderschulen für Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen als fester Bestandteil des gegliederten deutschen Schulsystems. Dabei zeigt sich eine negative Bilanz: Über 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Förderschule ohne berufsqualifizierenden Abschluss und bleiben in der Regel ihr Leben lang auf das staatliche Fürsorgesystem angewiesen. Inklusive Schulsysteme zeigen hier deutlich bessere Ergebnisse.

Soziale Ungleichheiten beim Förderschulbesuch

Und selbst wenn der Abschluss gelingt, haben viele Förderschülerinnen und -schüler auf dem regulären Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aufgrund des Stigmas "Förderschule" kaum eine Chance. Darüber hinaus zeigt die Auswertung von Mikrozensus-Daten ausgeprägte soziale Ungleichheiten beim Förderschulbesuch: Kinder, deren Eltern nur einen Hauptschulabschluss haben, finden sich in Westdeutschland fast siebenmal häufiger auf einer Förderschule wie Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss, in Ostdeutschland ist dieses Risiko sogar neunmal so hoch.

"Selbst wenn der Abschluss gelingt, haben viele Förderschülerinnen und -schüler auf dem regulären Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aufgrund des Stigmas "Förderschule" kaum eine Chance." - WZBrief Bildung 44

 

Dabei setzen wie die Bundesländer die Vorgaben der Konvention nach den Erkenntnissen des WZB sehr unterschiedlich um. Auf der einen Seite des Spektrums stehen Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, die bei der Umsetzung der Konvention weit vorangekommen sind. Auf der anderen Seite finden sich mit Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz jene Bundesländer, in denen eine Umsetzung von Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention so gut wie nicht stattfindet. Hier finden sich vielmehr klare Belege dafür, dass diese Bundesländer systematisch gegen ihre Implementationspflichten verstoßen. Dies kann zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen.

Auch verletzt die Bundesrepublik Deutschland ihre Pflicht, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu überwachen und dafür geeignete Daten vorzulegen. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren des "WZBrief Bildung" wäre es Aufgabe der Kultusministerkonferenz, eine entsprechende Datenerhebung im Sinne von Artikel 31 der Konvention zu koordinieren und damit die Grundlage für ein genaueres Monitoring zu schaffen.

Weitere Informationen

  • WZB: WZBrief Bildung 44
    Die Autorinnen und Autoren der Publikation sind Marcel Helbig, Sebastian Steinmetz, Michael Wrase und Ina Döttinger.