25.07.2023 | Redaktion | Universität Ulm
Psychische Probleme bei Jugendlichen
Expertise der Universität Ulm zu hohen Folgekosten der Corona-Pandemie
Isolation und Einsamkeit durch geschlossene Schulen, Sportvereine und Jugendeinrichtungen: Die zahlreichen psychosozialen Belastungen, denen Kinder und Jugendliche in Deutschland während der Corona-Pandemie ausgesetzt waren, haben bei vielen Betroffenen zu emotionalen Störungen und psychischen Erkrankungen mit langfristigen Folgen geführt. Für die Gesellschaft bedeutet dies hohe Folgekosten, deren potenzieller Umfang selbst bei konservativer Schätzung im Bereich mehrerer Milliarden Euro pro Jahr liegt. Das zeigt eine Expertise der Universität Ulm.
Die Expertise wurde von der Universität Ulm in Kooperation mit dem Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstellt. Die Autorinnen und Autoren der Expertise haben berechnet, welche Folgekosten die drei Krankheitsbilder Depression, Angststörung und Essstörung bei Kindern und Jugendlichen auslösen - durch zusätzliche Gesundheitskosten sowie Kosten durch spätere Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit.
Die errechneten Kosten reichen von 32,3 Millionen Euro unmittelbaren Gesundheitskosten bei der Annahme, dass 25 Prozent der zusätzlichen Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen pandemiebedingt in den Jahren 2020 und 2021 aufgetreten sind bis hin zu 2,1 bis 4,1 Milliarden Euro Kosten durch Arbeitsunfähigkeit im Erwachsenenalter pro Jahr durch den Ausfall an Bruttowertschöpfung. Die Expertinnen und Experten leiten aus den erwarteten Folgekosten drei Handlungsansätze ab:
- Infrastrukturen in den Bereichen Gesundheit und Soziales stärken und besser vernetzen, um psychosoziale Probleme zu erkennen
- mehr vorsorgende Untersuchungen bei Jugendlichen zur Früherkennung
- Ausbau der Intervention, also rechtzeitige therapeutische Hilfe zur Verbesserung der psychischen Gesundheit
In ihrem Fazit weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem darauf hin, dass die psychosozialen Belastungen in der Pandemie vor allem jene Kinder und Jugendlichen und ihre Familien trafen, die bereits zuvor belastet waren. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, spricht sich für die Einführung einer Kindergrundsicherung aus: "Sie kann benachteiligte Familien soweit unterstützen, dass sie überhaupt erst die Ressourcen besitzen, für ihre Kinder bei psychischen Störungen Hilfe in Anspruch zu nehmen."