Nicht vereinbar mit Inklusion

Empfehlungen zur Reform der Feststellung sonderpädagogischer Förderbedarfe

Als unvereinbar mit einem inklusiven Bildungssystem sieht eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern die bestehende sonderpädagogische Feststellungsdiagnostik. Sie veröffentlichten dazu bildungspolitische Handlungsempfehlungen an die Bundesländer, deren Schulgesetze die Feststellung der Förderbedarfe regeln. Diese sollen Anstöße für grundlegend neue Regelungen geben, die anstelle von pauschalen Etikettierungen von Schülerinnen und Schüler den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems mit individueller Unterstützung für alle Lernenden ermöglichen.

Bild: qunica.com/Adobe Stock

An der bisherigen Praxis kritisieren die an den Forschungsgruppen der BMBF-Förderlinie "Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung" teilnehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass konkrete Analysen bisheriger Unterstützungsmaßnahmen, didaktischer Zugänge und davon abgeleiteter Empfehlungen aus ihrer Sicht nicht im Zentrum der Gutachten stehen. Zudem ließen die Gutachten in Bezug auf die Kompetenzbeschreibung keine ausgewogene Berücksichtigung von Stärken und Schwächen erkennen. Nach wie vor dominiere eine Defizitorientierung. Auch die Annahme von acht verschiedenen trennscharfen sonderpädagogischen Förderbedarfen sei empirisch nicht haltbar.

Angelehnt an Forschungsergebnisse der Förderlinie sprechen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Reihe von Empfehlungen aus. So schlagen sie die Aufnahme des Rechtsbegriffs "angemessener Vorkehrungen" (UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 24) in die Schulgesetze aller Länder vor. Sie sollen eine gleichberechtigte Teilhabe gewährleisten, indem sie individuelle Ansprüche an Lernsettings einschließlich individueller Unterstützungsmaßnahmen und Lernförderungen rechtssicher verankern. Für eine neu aufgestellte interdisziplinäre Diagnostik betrachten sie folgende Aspekte als notwendig:

  • Fokus auf Barrieren, die das Lernen erschweren und auf Kompetenzstärken statt der bisherigen Defizitorientierung
  • Stärkung einer prozessbegleitenden curriculumsbezogenen Diagnostik im Kontext der Entwicklung individueller Förderpläne
  • Entwicklung von diagnostischen Ansätzen, die die Perspektive der Schülerinnen und Schüler einbeziehen
  • Trennung von Verwaltungs- und Beratungshandeln in der Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten und Schülerinnen und Schülern
  • Aufbau und Stärkung einer außerschulischen Elternberatung
  • Entkopplung von Ressourcengewinnung und individueller sonderpädagogischer Diagnostik zugunsten einer systemischen Ressourcenzuweisung

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