03.12.2020 | Redaktion | BMFSFJ
Mehr Teilhabe für junge Menschen
Kabinett beschloss Gesetzesentwurf zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf für ein neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz beschlossen. Damit wird das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) reformiert. Ziel des Gesetzes ist, Teilhabe und Chancengerechtigkeit von jungen Menschen zu stärken, die besonderen Unterstützungsbedarf haben. Dazu zählen 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche in schwierigen sozialen Lagen, 360.000 junge Menschen mit seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung und 31.000 so genannte "Careleaver".
Bundesjugendministerin Franziska Giffey - Bild: BMFSFJ
Etwa 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen derzeit unter schwierigen sozialen Umständen auf und sind darauf angewiesen, dass staatliche Stellen sie und ihre Familien unterstützen. Das gilt zum Beispiel für Kinder, die in Einrichtungen der Erziehungshilfe groß werden oder deren Eltern nicht hinreichend für sie sorgen können, so dass das Jugendamt sie bei der Erziehung unterstützt. Bei den 360.000 jungen Menschen mit Behinderung sind bisher nur die rund 100.000 Kinder mit einer seelischen Behinderung durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst. Für die circa 260.000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung gilt bislang die so genannte "Eingliederungshilfe" im SGB IX. "Careleaver" sind Jugendliche, die meist nach ihrem 18. Geburtstag aus der Kinder- und Jugendhilfe entlassen werden. Und schließlich gilt das neue Gesetz auch für diejenigen der etwa drei bis vier Millionen Kinder und Jugendlichen in einer Familie mit einem psychisch- oder suchterkrankten Elternteil, die unter den Folgen dieser Erkrankungen leiden.
Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs nannte Bundesjugendministerin Franziska Giffey fünf Regelungsziele: Schützen, Stärken, Helfen, Unterstützen, Beteiligen. „Kinder und Jugendliche werden mit ihren Eltern künftig aktiv einbezogen. Und junge Menschen sollen Kinder- und Jugendhilfen aus einer Hand bekommen, die perspektivisch auch nicht mehr zwischen Kindern mit und ohne Behinderung unterscheidet“, so die Ministerin. Den fünf Zielen entsprechen die Regelungsbereiche
- Besserer Kinder- und Jugendschutz
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und Pflegefamilien werden insbesondere die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden über Einrichtungen und die Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis erweitert. - Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
Sie sollen zu mehr Eigenverantwortung motiviert und auf dem Weg in ein selbständiges Leben besser begleitet werden. „Careleaver“ sollen in ihre Einrichtung zurückkehren können, sollte etwas in ihrem Leben schiefgehen. - Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
Das Gesetz stellt verbindliche Weichen für die Zusammenführung der Zuständigkeiten für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe. Ab 2024 werden Eltern durch eine Verfahrenslotsin oder einen Verfahrenslotsen unterstützt. - Mehr Prävention vor Ort
Das Gesetz sieht vor, dass Eltern in einer kurzfristigen Notsituation Hilfe im Alltag erhalten können - zum Beispiel, wenn sie so krank sind, dass sie ihr Kind nicht versorgen und betreuen können. Unterstützung erhalten sie bei einer Erziehungsberatungsstelle - ohne Antrag beim Jugendamt.
- Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
Unabhängige Ombudsstellen werden gesetzlich verankert. Kinder und Jugendliche erhalten einen uneingeschränkten Beratungsanspruch - auch ohne ihre Eltern. Organisierte Formen der Selbstvertretung werden gestärkt.
In einem Dialogprozess haben sich Bund, Länder und Kommunen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe und der Gesundheitshilfe im letzten Jahr darüber ausgetauscht, in welchen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe Handlungsbedarf besteht und wie Verbesserungen erreicht werden können. Rund 5.500 Expertinnen und Experten haben sich in die Diskussion eingebracht. Etwa 4.000 Fachkräfte und Betroffene - junge Menschen, Eltern und Pflegeeltern - wurden an wissenschaftlichen Begleitstudien beteiligt. Auf Grundlage der Erkenntnisse des Dialogprozesses wurde der jetzt vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf entwickelt.