04.03.2009

Wege aus dem Maßnahmendschungel

Abschied von der "Programmitis"

von Walter Würfel

Bereits in den 90er Jahren hat sich ein "Maßnahmendschungel" beziehungsweise ein "Parallelsystem" im Übergang von der Schule in den Beruf herausgebildet. Doch statt einer Bereinigung, zum Beispiel durch die unterschiedlichen "strukturbildenden Initiativen", die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, ist das Gegenteil eingetreten: Die Vielzahl der Förderinstrumente und -programme ist noch unübersichtlicher geworden.

Alle Maßnahmen des Übergangssystems haben - mit unterschiedlichen Nuancen - das Ziel, den Jugendlichen berufliche und soziale Integration in diese Gesellschaft zu ermöglichen - sei es, indem sie die Herstellung von "Ausbildungsreife" fördern, soziale Kompetenzen und grundlegende Fähigkeiten der Lebensbewältigung vermitteln, sozialpädagogische Hilfen bereitstellen oder schulische Defizite beheben helfen.

Die Jugendlichen, die in diesen Maßnahmen "aufgefangen" werden, haben eines gemeinsam: Sie konnten nach Verlassen der Schule nicht in das Regelsystem einer dualen Berufsausbildung oder einer schulischen Berufsausbildung einmünden. Teilweise haben sie gar keinen Zugang mehr zu Institutionen wie Schulen oder Berufsberatung. Es gehören aber auch Jugendliche dazu, die nur wegen der (zwar mittlerweile besseren, aber immer noch) angespannten Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt keine Ausbildungsstelle gefunden haben.

Unübersichtlichkeit und fehlende Koordination

Dramatisch ist dabei die Tatsache, dass mittlerweile die Zahl der Jugendlichen, die nach der Schule in dieses Übergangssystem münden, größer ist als die Zahl derjenigen, die im "Regelsystem" eine duale oder andere Berufsausbildung aufnehmen oder sich für einen weiterführenden Schulbesuch entscheiden. Dramatisch ist meiner Auffassung nach aber noch etwas andres: Die Vielfalt, die Unübersichtlichkeit und die fehlende Koordination der Programme und Instrumente macht es oft schwer, angemessene Unterstützungsangebote für bestimmte Problemlagen zu finden.

Anfang des Jahrtausends kam der PISA-Schock und in der Folge die kritische Diskussion über unser Schul- und Bildungssystem, das soziale Ungleichheiten tendenziell zementiert, außerdem die Krise auf dem Ausbildungsstellenmarkt mit der Diskussion über Ausbildungsreife und Beschäftigungsfähigkeit von jugendlichen Schulabgängerinnen und -abgängern. Dies und viele andere Entwicklungen, nicht zuletzt die Einführung des Sozialgesetzbuches II, mit "Hartz IV" und der Grundsicherung für Erwerbsfähige, haben dazu geführt, dass sich die verschiedenen Institutionen, die sich mit Jugendlichen beschäftigen, mit ihrem Engagement verstärkt eingebracht haben - eine uneingeschränkt positive Entwicklung.

Viele Köche in Bund, Ländern und Kommunen

Deutlich wird das Problem, wenn man die Institutionen, die für Jugendliche in der Lebenslage des Übergangs Schule-Berufsausbildung/Berufstätigkeit zuständig sind, aufzählt. Auf der Bundesebene sind dies allein drei Ministerien: das Jugendministerium, das Bildungsministerium, das Arbeitsministerium. Daneben als Institution, die auch eigene Förderprogramme entwickelt und vergibt, die Bundesagentur für Arbeit.

Auf der Länderebene sind dies die Kultusministerien als für die Bildung zuständige Ministerien, aber auch die Sozial- beziehungsweise Wirtschaftsministerien. Landesjugendämter (soweit es sie noch gibt) gehören auch dazu.

Auf der kommunalen Ebene haben wir die Jugendämter, die Arbeitsagenturen und/oder die ARGEn/ JobCenter, die Schulämter und die Jugendämter, teilweise Arbeitskreise für Wirtschaftsförderung - die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig.

Alle diese Institutionen entwickeln ihrerseits wiederum Förderinstrumente und Programme für die oben benannten Zielgruppen, die da heißen: "Kompetenzagenturen" oder "Zweite Chance"; es gibt Programme für so genannte Schulmüde und Schulverweigerer; Programme der Schulsozialarbeit an Schulen, Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, Berufsvorbereitungs-, Berufsgrundbildungsjahr als schulische Angebote, Programme wie "Jugendhilfe und Schule" der Kommunen; Berufseinstiegsbegleitung, Vertiefte Berufsorientierung durch die Bundesagentur an den Schulen; "Perspektive Berufsabschluss" zur Nachqualifizierung und zum Regionalen Übergangsmanagement; Aktivierungshilfen; Ausbildungsmanagement; Eingliederungsqualifizierung für Jugendliche; Berufsausbildungsvorbereitung mit sozialpädagogischer Begleitung... Diese Aufzählung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr zeigt sie, dass der Maßnahmendschungel eher noch dichter und unübersichtlicher geworden ist.

Was muss passieren?

Um das "Förderdickicht" zu lichten und vom Gestrüpp zu befreien, müssen zunächst verschiedene Rahmenbedinungen, die entscheidend die pädgogische Arbeit bestimmen - verändert werden: Die Schnittstellen an den Leistungs- und Ordnungsgesetzen SGB II, III, VIII, IX müssen dringend geklärt werden, damit Jugendliche die richtige Förderung finden. Die genannten Gesetze haben unterschiedliche Zielsetzungen und unterschiedliche Förderphilosophien, beispielsweise das SGB III (Arbeitsförderung) und das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz).

Die Kooperation in den lokalen und regionalen Netzwerken muss verstärkt, teilweise erst entwickelt werden. Die Institutionen, die vor Ort mit den Jugendlichen zu tun haben (Schule/Schulamt; Jugendamt; Arbeitsagentur/ARGE/JobCenter, Berufsschulen und andere) müssen strukturierte und dauerhafte Kooperationsbeziehungen aufbauen mit dem Ziel, dass Jugendliche zwischen Schule und Berufsausbildung möglichst nur noch eine Anlaufstelle haben.

Gemeinsames Integrationskonzept

Dringend muss geklärt werden, wer die (Haupt-)Verantwortung trägt und damit "den Hut auf hat" - "kommunale Bildungslandschaften" sind hier zu einem Begriff geworden. Letztlich geht es darum, die vorhandenen Fördermittel zielgerichtet und effektiv einzusetzen, im Interesse der Jugendlichen, die einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz suchen. Notwendig wäre, dazu - unter Einbeziehung aller Beteiligten - ein gemeinsam getragenes berufsbildungspolitisches Integrationskonzept für Jugendliche zu entwickeln.

Aufgabe der Bildungsträger ist es dabei, Vorschläge für eine Vereinheitlichung zu machen, Konzepte zu entwickeln und vor allem die Kooperation der Akteure zu befördern - den Dschungel wirklich lichten kann eigentlich nur die Politik und der Gesetzgeber.

Weitere Informationen