08.05.2023 | Redaktion | BIBB
Impulse für die Berufsorientierung
Neue Ausgabe der BIBB-Fachzeitschrift "Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis“
Der Berufswahl junger Menschen geht meist ein komplexer Orientierungs- und Entscheidungsprozess voraus. Wie kann dieser Prozess am Übergang von Schule in Ausbildung erfolgreich gestaltet werden? Welche Instrumente und Rahmenbedingungen erweisen sich dabei als förderlich? In der neuen Ausgabe der "Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis" (BWP) geht es um die Frage der Wirksamkeit von Ansätzen zur beruflichen Orientierung. Hierzu werden Forschungsbefunde und praktische Erfahrungen vorgestellt und kritisch reflektiert.
Eine Erkenntnis neuerer Berufswahltheorien spiegelt sich in der Ausgabe 2/2023 der BWP auf vielfältige Weise wider: Sie betrachten Menschen als aktiv gestaltende Akteure. Daraus ergeben sich Anforderungen an adäquate Berufsorientierungsangebote. Sie dürfen sich nicht mehr auf die Vermittlung von Informationen zu Berufen beschränken, sondern müssen stärker als bisher personale Faktoren wie die Kenntnis eigener Fähigkeiten und Interessen einbeziehen. Die Förderung selbstreflexiver Prozesse – so zum Beispiel auch die Auseinandersetzung mit elterlichen Erwartungshaltungen – sollte demnach ein zentraler Baustein beruflicher Orientierung sein.
Diesen Aspekt beziehen Anne Berngruber und Irene Hofmann-Lun vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in ihrem Beitrag auf Auswirkungen der Corona-Krise: Sie analysieren die Auswirkungen der Pandemie auf die Verselbstständigungsprozesse und die Alltagspraxis junger Menschen – darunter die berufliche Orientierung und andere berufsrelevante Aktivitäten, aber auch das Freizeitverhalten und die Mobilität sowie die Kontakte mit Freundinnen und Freunden. Berngruber und Lun zeigen, wie Corona zusätzliche Unsicherheiten für junge Menschen hervorgerufen hat - besonders bei denen, die sich in der Übergangsphase von Schule in Ausbildung, Studium oder Arbeit befanden und hier bei Jugendlichen mit schlechteren Bildungsvoraussetzungen. Sie plädieren dafür, niedrigschwellige und flexible Unterstützungsangebote für diese Betroffenen zu etablieren und Freiräume zu schaffen, um sich ausprobieren und das Jungsein überhaupt leben zu können.
Erwerbsbiografische Selbstverantwortung
Ulrich Weiß (Kolping Hochschule Gesundheit und Soziales Köln) und Frank Neises (BIBB, Fachstelle überaus) schlagen das Konzept der erwerbsbiografischen Selbstverantwortung als eine der konkreten Berufswahl vorgängige Orientierungsleistung vor. Sie formulieren Kriterien pädagogischen Handelns zur Entwicklung erwerbsbiografischer Selbstverantwortung und zeigen beispielhaft, wie digitale Angebote im Sinne einer tragfähigen pädagogischen Beziehung im Übergang genutzt werden können.
Katja Driesel-Lange, Jerusha Klein und Volker Gehrau (Universität Münster) stellen eine Studie zu den langfristigen Wirkungen ausgewählter Lerngelegenheiten auf die berufliche Entwicklung junger Menschen vor. Informelle Gespräche, die Jugendliche etwa mit Eltern und Freunden führen, erweisen sich gemäß den Ergebnissen der Studie als besonders förderlich, während standardmäßig genutzte Lerngelegenheiten wie Betriebspraktika und Potenzialanalysen keine langfristigen Effekte zeigen. Manchmal sollen letztere das aber auch nicht primär. Vielmehr sollen sie kurzfristig Engagement erzeugen und zu Aktivitäten anregen, zum Beispiel weil ein Praktikum bevorsteht.
Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Frage, ob Rollenvorbilder junge Frauen für IT-Ausbildungsberufe begeistern können, wie wichtig Kontinuität in Berufswahlprozessen ist und wie Reflexion die Wirksamkeit von Potenzialanalysen stärkt. Die BWP-Ausgabe stellt außerdem Praxisansätze wie die Umsetzung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Beruflichen Orientierung an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern und ein Projekt der Jugendberufsagentur Hamburg zur Stärkung zugewanderter Eltern für die berufliche Orientierung vor. Ergänzend bietet sie nicht zuletzt auch eine Literaturauswahl zum Themenschwerpunkt.