19.10.2022 | Redaktion | IAB
Hauptschulabschluss nachholen
IAB legt Ergebnisse einer Befragung mit Fachkräften vor
Trotz des Rechtsanspruchs auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses hat ein Teil der unter 35-Jährigen noch immer keinen allgemeinbildenden Schulabschluss. Damit mehr Menschen diese Möglichkeit ergreifen, werden vor allem Bildungsangebote benötigt, die auf ihre individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Lebensumstände zugeschnitten sind. Darauf deuten die Ergebnisse einer qualitativen Befragung hin, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit Fachkräften aus Jobcentern, Arbeitsagenturen und Bildungsträgern durchgeführt hat.
Die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, stieg zwischen 2013 und 2018 um rund sieben Prozent auf circa 54.000. Insgesamt verfügten 3,5 Prozent der 15- bis 24-Jährigen und 3,9 Prozent der 25- bis 34-Jährigen über keinen allgemeinbildenden Schulabschluss. Wer über keinen Schulabschluss verfügt, findet nur schwer einen Ausbildungsplatz. Nur jeder vierte Jugendliche ohne Schulabschluss hat im Jahr 2018 eine vollqualifizierende Ausbildung begonnen. Doch gerade ein Berufsabschluss hat in Deutschland einen wesentlichen Einfluss auf den sozialen Status, die Stabilität des Erwerbsverlaufs, die Einkommenssituation und die Armutsgefährdung junger Menschen.
Hemmnisse und Erfolgsfaktoren
Das IAB hat die Erfolgsfaktoren, aber auch die Hemmnisse für die erfolgreiche Umsetzung des Rechtsanspruchs auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses untersucht. Im Sommer 2020 führten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Instituts Interviews mit Fach- und Führungskräften aus den Bereichen Berufsberatung und Arbeitsvermittlung in Arbeitsagenturen und Jobcentern sowie bei Bildungsträgern. Die Befragten sind sich weitgehend darin einig, dass der Schulabschluss gerade bei den unter 25-Jährigen eine wesentliche Rolle für deren weiteren Erwerbsverlauf spielt. Für über 25-Jährige ist das Nachholen des Schulabschlusses in Einzelfällen zwar ebenfalls eine wichtige Option - sie tritt nach Einschätzung der Fachkräfte jedoch oft hinter das Ziel einer direkten Integration in Arbeit zurück.
Es sind sehr unterschiedliche Hemmnisse, die junge Menschen daran hindern, einen regulären Schulabschluss zu erwerben. Sie reichen von persönlichen Schicksalsschlägen und psychischen Erkrankungen über kognitive Einschränkungen wie Lernbehinderungen bis zu Defiziten im Arbeits- und Sozialverhalten. Aus diesem Grund ist eine adäquate, auf die individuellen Lebensumstände abgestimmte Ausgestaltung der Nachholkurse bei den Bildungsträgern von entscheidender Bedeutung. Die befragten Fachkräfte empfehlen eine Kombination aus einer persönlichen Eignungsüberprüfung, dem Abbau grundlegender Hemmnisse und einer intensiven individuellen Beratung, die im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes auch die persönliche und die finanzielle Situation sowie das soziale Umfeld der jungen Menschen in den Blick nimmt.
Individuelle Betreuung und Beratung
Die Kurse sollten die Teilnehmenden möglichst wenig an das Schulsystem erinnern, in dem sie bereits einmal gescheitert sind. Kleine Gruppen mit gut ausgebildetem, auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtetem Lehrpersonal, praxisnahe Schulungsinhalte und sozialpädagogische Betreuungsmöglichkeiten können aus Sicht der Befragten entscheidend dazu beitragen, Abbrüche zu vermeiden. Eine enge individuelle Betreuung ist vor allem deswegen nötig, um Veränderungen im persönlichen Umfeld frühzeitig erkennen und gegebenenfalls gegensteuern zu können.
Das Nachholen des Schulabschlusses bleibt für viele junge Menschen auch bei guten Rahmenbedingungen ein anspruchsvolles Unterfangen. Wenn das Kursangebot zur Lebenssituation der Menschen passt und deren Motivation und Eignung ausreichend sind, so glückt nach Einschätzung der befragten Fachkräfte in den allermeisten Fällen auch der Abschluss. Dies kann wiederum ein Ansporn sein, sich weiter zu qualifizieren – und damit dazu beizutragen, das Fundament für eine stabile Erwerbsbiografie zu legen.