Die Generation Z – Digital kompetent oder nur medienaffin?
Zur Gefahr der Fehleinschätzung digitaler Kompetenzen an berufsbildenden Schulen
von Dr. Jens Christian Soemers
Wie gut ist die Generation Z wirklich auf die digitale Arbeitswelt vorbereitet? Obwohl sie mit Smartphones und sozialen Medien aufgewachsen ist, fehlen oft entscheidende digitale Kompetenzen. Oberstudienrat und Blogger Dr. Jens Christian Soemers erläutert, warum gezielte Förderung in berufsbildenden Schulen unerlässlich ist und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese Generation fit für die Zukunft zu machen.
Wer oder was ist die Generation Z? |
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Zur Generation Z, die oft auch als "Zoomers" oder "Digital Natives" bezeichnet wird, werden diejenigen gerechnet, die zwischen Mitte der 1990er und Mitte der 2010er Jahre geboren wurden. Sie stellt derzeit den Großteil der Schülerschaft an berufsbildenden Schulen und ist die erste Generation, die von Geburt an mit digitalen Technologien und Anwendungen wie Smartphones, Tablets und sozialen Medien aufgewachsen ist. Ihr Medienverhalten zeichnet sich durch eine permanente Onlinepräsenz aus (Redick 2024). |
Die Generation Z ist quasi rund um die Uhr online und nutzt Messaging-Apps, soziale Netzwerke und Videoplattformen intensiv zur Kommunikation und Unterhaltung. Zum anderen nutzt die Generation Z soziale Medien zum Selbstausdruck (Martens 2024). Plattformen wie Instagram, Facebook, X, TikTok und Snapchat dienen der Generation Z zur Selbstdarstellung und zum Ausdruck ihrer Kreativität. Dort erstellt sie Content in Form von Posts, Reels und Stories und teilt aktiv Inhalte wie Fotos und Videos.
Obwohl die Generation Z auf den ersten Blick technisch sehr versiert scheint, beschränkt sich die Nutzung digitaler Werkzeuge oft auf Unterhaltungszwecke (Autorengruppe D21 Digital Index). So fällt Lernenden der Generation Z etwa die zielgerichtete Anwendung von ChatGPT für einen fortlaufenden Dialog oder die Einbeziehung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bei der Erstellung von Präsentationen mit Gamma KI im Rahmen von Lern- und Arbeitsprozessen häufig schwer. Sie überschätzen oft ihre digitalen Fähigkeiten, da sie den Medienkonsum mit aktivem, kompetentem Umgang gleichsetzen (Heinrich 2024). So werden Inhalte aus sozialen Medien oft wenig kritisch hinterfragt und öffentlich bewertet, Passwörter für digitale Dienste unbedacht vergeben und geteilt, und es fehlt zum Beispiel bei der Nutzung von ChatGPT das Wissen um die Formulierung lernförderlicher Prompts.
Annahme versus Realität
Das Smartphone immer zur Hand. Bild: Rawpixel.com/
Adobe StockDie Generation Z wächst zwar mit digitalen Medien auf, verfügt aber nicht automatisch über alle notwendigen Kompetenzen für den Umgang damit, was insbesondere in ihrem zukünftigen Arbeits- und Berufsleben ein großes Problem darstellen kann (Zolota 2024) und deshalb eine genaue Beobachtung und gezielte Förderung digitaler Kompetenzen in berufsbildenden Schulen erforderlich macht. Die Annahme, junge Menschen verfügten über ausgeprägte digitale Kompetenzen und seien in der Lage, neue Technologien intuitiv zu nutzen, sollte insbesondere im Kontext der beruflichen Bildung an Berufsschulen kritisch hinterfragt werden.
Programmieren als Schlüsselkompetenz der Zukunft? Die KI zeigt, wie es aussehen könnte. Bild: Summit Art Creations/
Adobe StockEine Fehleinschätzung der tatsächlichen digitalen Fähigkeiten von Lernenden der Generation Z beeinträchtigt die optimale Vorbereitung auf die moderne Arbeits- und Berufswelt und stellt auch für Unternehmen und Arbeitgeber eine Herausforderung dar. Wenn Arbeitgeber davon ausgehen, neue Mitarbeiter aus der Generation Z verfügten bereits über umfassende digitale Kompetenzen, kann dies zu Produktivitätseinbußen, Wettbewerbsnachteilen und zusätzlichen Kosten für Weiterbildungen und Schulungen führen, da Arbeiten oft ineffizient sind, Fehler entstehen und zusätzliche Unterstützungen nötig werden. In der Folge verlangsamen mangelnde digitalen Kompetenzen die Arbeitsabläufe, wirken sich negativ auf die Qualität der Arbeit aus und führen schließlich auch zu einer höheren Belastung von Kolleginnen und Kollegen.
Digitale Schlüsselkompetenzen
Nachfolgend werden wesentliche digitale Kompetenzen dargestellt, die Lernende der Generation Z an berufsbildenden Schulen zur Vorbereitung auf das moderne Arbeits- und Berufsleben entsprechend der Rahmenlehrpläne für die duale Berufsausbildung und die spezifischen Ausbildungsordnungen der jeweiligen Berufe erwerben müssen. Zusätzlich zu den Kompetenzen, die seit dem Inkrafttreten der Standardberufsbildposition „Digitalisierte Arbeitswelt“ im Jahr 2021 verpflichtend sind, werden hier weitere relevante Kompetenzen hervorgehoben (MSB 2021).
Technologische Grundkenntnisse
Ein grundlegender Bestandteil digitaler Kompetenzen sind zunächst die Kenntnisse in der Bedienung von Computern wie Desktop-PCs und mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets. Dazu gehören insbesondere auch die Beherrschung von Betriebssystemen und die Nutzung von Anwendungsprogrammen zur Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Mangelnde Kenntnisse in der Bedienung von Hard- und Software schränken den Zugang zur Bildung und Informationen ein.
Informations- und Datenkompetenz
Dateimanagement
Darüber hinaus sind umfassende Fertigkeiten im Dateimanagement, also in der Erstellung von Ordnerstrukturen und in der Organisation, Sortierung, Benennung und Speicherung von Unterrichtsmaterialien in Form von Dateien und Lernvideos von besonderer Bedeutung. Defizite in diesem Bereich führen zu einer unübersichtlichen Dateistruktur, Zeitverschwendung, Schwierigkeiten beim kollaborativen Arbeiten mit Mitschülerinnen und Mitschülern, Sicherheitsrisiken und schließlich auch zum Verlust der Daten.
Recherche
Ebenfalls entscheidend ist die Fähigkeit der Recherche, also effektiv nach Informationen zu suchen, sie kritisch zu bewerten und für verschiedene Zwecke zu nutzen. Dies ist wichtig, um Zugang zu Ressourcen zur Erweiterung des Wissens und Bildung zu erhalten.
Datenanalyse
Auch sollten Lernende grundlegende Fähigkeiten der Datenanalyse entwickeln, um Daten zu sammeln, zu interpretieren und zu visualisieren, was in vielen Berufsfeldern eine wichtige Rolle spielt.
Kommunikationskompetenz
Anwendung von Kommunikationstools
In einer digital vernetzten Welt sind auch die Fähigkeiten zur Kommunikation von besonderer Relevanz. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, verschiedene digitale Kommunikationstools für E-Mails, Instant Messaging und Videokonferenzen effektiv zu nutzen.
Kollaboration
Darüber hinaus ist die Kollaboration in digitalen Umgebungen ein wichtiger Bestandteil moderner Arbeitsprozesse, weshalb in berufsbildenden Schulen auch die Nutzung von Plattformen wie MS-Teams zum Austausch und Tools wie Oncoo zum gemeinsamen Lernen vermittelt werden sollte.
Kreative und innovative Fähigkeiten
Kreativität ist eine weitere Schlüsselkompetenz, die entwickelt werden muss. Dazu gehört die Fähigkeit, digitale Bild- und Videobearbeitungssoftware wie Canva zu verwenden, um innovative Lösungen zu entwickeln.
Sicherheit und Datenschutz
Des Weiteren ist ein Verständnis für die Sicherheit im Internet und in Netzwerken in Form der sicheren Verwendung von Passwörtern, Praktiken des Datenschutzes und des Schutzes vor Cyberbedrohungen unerlässlich. Fehlendes Sicherheitsverständnis erhöht das Risiko, Opfer von Cyberkriminalität, Cybermobbing und Datenschutzverletzungen zu werden.
Problemlösungskompetenz und kritisches Denkvermögen
Medienkritik
Medienkritik ist ebenfalls unerlässlich, um Lernenden zu vermitteln, wie sie digitale Medienquellen kritisch bewerten können. Dies umfasst auch den verantwortungsbewussten Umgang mit sozialen Medien und anderen Online-Plattformen. Dies ist wichtig, um Lernende vor Fehlinformationen, Fake News, Manipulation und Propaganda zu bewahren und ihre Privatsphäre zu schützen.
Verantwortungsbewusstsein
Lernende müssen nicht Kompetenzen bei der Bedienung digitaler Werkzeuge erwerben, sondern auch verstehen, wie sie diese verantwortungsbewusst und ethisch einsetzen können. Zum einen können hier praxisnahe Projekte die Möglichkeit bieten, digitale Kompetenzen in realen Anwendungsszenarien zu erwerben und zu vertiefen. Durch die Arbeit an konkreten Aufgaben können die Lernenden Wissen praktisch anwenden und gleichzeitig wichtige Soft Skills wie Teamarbeit und Problemlösungsfähigkeiten entwickeln. Zum anderen können Kooperationen mit Unternehmen aus der beruflichen Praxis, Hochschulen und anderen Berufsschulen einen wertvollen Beitrag zur digitalen Bildung leisten. Diese Partnerschaften bieten Lernenden frühzeitig Einblicke in die Anforderungen der Arbeitswelt und stärken den Praxisbezug des Unterrichts.
Anpassungsfähigkeit und lebenslanges Lernen
Schließlich ist Anpassungsfähigkeit an den rasanten digitalen Wandel von entscheidender Bedeutung, da Lernende im Sinne des lebenslangen Lernens in der Lage sein müssen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und sich an neue Technologien und Arbeitsweisen anzupassen, um erfolgreich zu sein und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Fundamente für eine zeitgemäße digitale Bildung
Praxisnahes Lernen auch abseits des Arbeitsplatzes – die VR-Technologie macht's möglich. Bild: PX Media/
Adobe StockEs wird deutlich, dass der Förderung der digitalen Kompetenzen der Generation Z zur Vorbereitung auf den modernen Arbeitsmarkt in berufsbildenden Schulen eine besondere Bedeutung zukommt. Hierzu muss eine moderne Infrastruktur als Fundament für eine zeitgemäße digitale Bildung geschaffen werden. Investitionen in moderne Technologien, schnelle Internetverbindungen und zeitgemäße Ausstattung sind unerlässlich, um den Lernenden eine praxisnahe digitale Bildung zu ermöglichen. Ohne eine solide Infrastruktur ist es den Schülern nicht möglich, digitale Kompetenzen zu entwickeln und anzuwenden. Hier zeigt sich zurzeit an Berufsschulen in Deutschland je nach Bundesland und Schulträger ein gemischtes Bild, das von modernen, gut ausgestatteten Einrichtungen bis hin zu Schulen mit erheblichen Defiziten in der IT-Infrastruktur und Mängeln an technischem Support sowie unzureichender didaktischer Integration der digitalen Werkzeuge in den Unterricht reicht (Autorengruppe PD-Perspektiven).
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Weiterbildung der Lehrkräfte. Diese müssen selbst über fundierte digitale Kompetenzen verfügen und in der Lage sein, diese effektiv zu vermitteln. Regelmäßige Weiterbildungen und Fortbildungen sind daher unabdingbar, um sicherzustellen, dass die Lehrkräfte mit den neuesten Entwicklungen und Technologien Schritt halten können (BMBF 2022).
Lehrplanreform und Chancengleichheit
Ferner ist die Integration digitaler Schlüsselkompetenzen in die Berufliche Bildung durch Anpassung der Lehrpläne an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt entscheidend (MSB 2021). Neben den Kenntnissen in der Bedienung müssen die Lehrpläne auch die eben aufgezeigten Aspekte des Dateimanagements und der Sicherheit, Recherche, Datenanalyse, Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, Medienkritik und Anpassungsfähigkeit umfassen.
Chancen auf eine umfassende digitale Bildung für alle
Schließlich ist der Abbau digitaler Ungleichheiten von entscheidender Bedeutung. Maßnahmen zur Förderung des Zugangs zu digitalen Ressourcen und Bildungsmöglichkeiten für benachteiligte Gruppen sind erforderlich, um die digitale Spaltung zu überwinden und sicherzustellen, dass alle Lernenden gleiche Chancen auf eine umfassende digitale Bildung haben (Wilmers et al 2023).
Fazit und Ausblick
Welche Herausforderungen bringt die digitale Transformation für die Generation Z mit sich? Bild: PX Media/
Adobe StockDie digitalen Kompetenzen der Generation Z an berufsbildenden Schulen dürfen keinesfalls überschätzt werden. Zwar sind die Lernenden mit digitalen Technologien aufgewachsen, doch bedeutet dies nicht automatisch, dass sie über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um digitale Werkzeuge effektiv und verantwortungsvoll in der Arbeitswelt zu nutzen. Es bedarf einer gezielten Förderung digitaler Bildung an Berufsschulen, um die Lernenden auf die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt vorzubereiten.
Dazu gehören nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch Medienkompetenz, kritisches Denken und die Berücksichtigung ethischer Aspekte. Nur durch eine umfassende digitale Bildung kann sichergestellt werden, dass Lernende der Generation Z die notwendigen Kompetenzen erwerben, um in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt erfolgreich zu sein und verantwortungsvoll mit Technologien umzugehen. Um dies zu erreichen, könnten Lernende der Generation Z zunächst im Rahmen von Selbstreflexionen durch einen Abgleich mit den vorhandenen digitalen Kompetenzen und den Anforderungen der modernen Berufswelt für die eigenen Defizite sensibilisiert werden. Anschließend könnte im Rahmen von komplexen Projektarbeiten, bei denen die Lernenden ihre digitalen Fähigkeiten unter Beweis stellen, durch konstruktives Feedback und individuelle Förderung gezielt an den Kompetenzdefiziten gearbeitet werden (Heinz 2021). Gleichzeitig müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die digitale Spaltung zu überwinden und allen Lernenden gleiche Chancen auf digitale Bildung zu bieten. Nur so kann die Generation Z ausgebildet werden, um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern und deren Potenzial voll auszuschöpfen.
Literatur
Autorengruppe D21 Digital Index (2022): D21 DIGITAL INDEX 2021/2022. Jährliches Lagebild zur digitalen Gesellschaft (08.11.2024)
Autorengruppe PD-Perspektiven (2022): Bereit für die Zukunft? Kommunen für den digitalen Umbau der Schulen stärken. Eine Studie zum Ist-Stand der Schul-IT mit Handlungsempfehlungen (06.10.2024)
BMBF (2022): Digitalisierung in der Lehrkräftebildung nach dem Digital Turn. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (08.11.2024)
Heinrich, H. (2023): Studie: Die Generation Z überschätzt ihre digitalen Fähigkeiten (04.11.2024)
Heinz, S. (2021): Gen Z: So lernt die Tech-Generation (30.10.2024)
Martens, J. (2024): Was bedeutet Generation Z: Merkmale, Werte und Einflussfaktoren (08.11.2024)
MSB (2021): Handreichung zur Integration digitaler Schlüsselkompetenzen in die Berufliche Bildung. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (08.11.2024)
Redick, M. (2024): Generation Z und ihre Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt (06.11.2024)
Wilmers, A., Achenbach, M. & Keller, C. (2023): Bildung im digitalen Wandel. Die Bedeutung digitaler Medien für soziales Lernen und Teilhabe. Münster, New York: Waxmann 2023 (02.11.2024).
Zolota, V. (2024): Generation Z als Herausforderung und Chance (08.11.2024)