24.01.2020 | Redaktion | IAB
Wohnsitzauflagen verringern Chancen
IAB untersuchte Zusammenhang von Residenzpflicht und Arbeitsmarktintegration
Seit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes im August 2016 kann für geflüchtete Menschen auch dann eine Wohnsitzauflage verfügt werden, wenn ihr Asylantrag bereits anerkannt wurde. Nun zeigt ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Sozialforschung (IAB): Diese Auflage erhöht nicht die Chancen auf Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, sondern verringert sie sogar. Laut EU-Recht sind Wohnsitzauflagen aber weitreichende Eingriffe in die persönliche Freizügigkeit und nur dann zulässig, wenn sie der Integration der Betroffenen dienen.
Vor der Einführung des Gesetzes konnten Geflüchtete mit anerkanntem Schutzstatus ihren Wohnort frei wählen. Seither dürfen sie nur in dem Bundesland wohnen, in das sie nach ihrer Ankunft zugewiesen wurden. In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt gelten noch kleinräumigere Wohnsitzauflagen: Hier sind die Betroffenen an ihren Kreis, die kreisfreie Stadt oder sogar die Gemeinde gebunden. Diese Option sieht das Integrationsgesetz ausdrücklich vor. Auf der Grundlage der IAB-BAMF-SOEP-Befragungen untersuchte das IAB, wie sich regionale Wohnsitzauflagen auf die Erwerbstätigkeit geflüchteter Menschen, den Erwerb von Deutschkenntnissen und die Unterbringung in privatem Wohnraum auswirken.
Kontraproduktive Wirkung
Hier zeigt sich recht klar, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Job zu finden, bei Geflüchteten mit Wohnsitzauflage niedriger ist als bei Personen, die keinen Beschränkungen unterliegen. Dabei wurden die Aufenthaltsdauer, die Dauer seit Beendigung des Asylverfahrens und weitere individuelle und regionale Faktoren, die die Beschäftigungswahrscheinlichkeit beeinflussen könnten, berücksichtigt. Die Untersuchung ergab außerdem, dass es Geflüchteten mit Wohnsitzauflage deutlich seltener gelingt, ihre Gemeinschaftsunterkunft zu verlassen und eine eigene Wohnung zu finden. Kein Zusammenhang besteht aber offenbar mit dem Niveau der erworbenen Sprachkenntnisse.
Das Fazit des IAB legt nahe, dass die Beschränkung der Freizügigkeit vom Gesetzgeber nicht mehr mit einer integrationsfördernden Wirkung begründet werden kann und insofern insgesamt zu überdenken ist: "Die bisherigen Ergebnisse sprechen nicht dafür, dass das Ziel des Gesetzes, die Integrationschancen von Geflüchteten zu verbessern, tatsächlich erreicht wurde. Im Hinblick auf die Arbeitsmarktintegration und die dezentrale Unterbringung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften ist eher das Gegenteil der Fall."