26.03.2019 | Redaktion

10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention

Deutsches Institut für Menschenrechte zieht Zwischenbilanz

Vor genau zehn Jahren, am 26. März 2009, trat in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Seither wurde aus Sicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der Monitoring-Stelle für die Umsetzung der Konvention, vieles auf den Weg gebracht, um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. In einem Bericht zieht das Institut eine Zwischenbilanz. Darin beleuchtet es den aktuellen Stand der Dinge: Wo gibt es positive Entwicklungen und wo bleiben noch gravierende Probleme bei der Umsetzung?

UN-Flagge              Bild: Piotr Mitelski | Fotolia

Der Bericht untersucht neun Themenbereiche, die die Alltagsgestaltung von Menschen mit Behinderungen berühren (Wohnen, Mobilität, Bildung und Arbeit) und ihre Persönlichkeitsrechte betreffen (gleiche Anerkennung vor dem Recht, Wahlrecht, Gleichstellungsrecht). Er beschäftigt sich außerdem mit der Frage, inwiefern die deutsche Politik im In- und Ausland die Umsetzung der Konvention systematisch mitdenkt (Aktionspläne zur UN-BRK, Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit).

Insgesamt zieht er eine gemischte Bilanz: "Dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, selbst über ihr Leben zu bestimmen und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein, ist in den letzten zehn Jahren zunehmend ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt", sagt Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle. In den vergangenen zehn Jahren sei es allerdings nicht gelungen, das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen zum Normalfall und Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen überflüssig zu machen.

"Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie nicht will, sucht Begründungen" – Hubert Hüppe, Bundesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen von 2009 bis 2013

 

Als Umsetzungserfolge bezeichnet der Bericht zum Beispiel die zahlreichen Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Konvention, die Weiterentwicklung der Behindertengleichstellungsgesetze und der wahlrechtlichen Regelungen. Aber auch die Teilhabeberichterstattung auf Bundesebene, die Verbesserung der Datenbasis in Form einer Repräsentativbefragung, die erstmalig Erkenntnisse zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verfügbar machen wird, die zunehmenden Angebote in Leichter Sprache sowie die Tatsache, dass die UN-BRK im Betreuungsrecht zunehmend als Maßstab wahrgenommen wird, seien positiv zu bewerten.

Gerade in den wichtigen Bereichen Wohnen und Arbeit sei demgegenüber aber noch keine deutliche Abnahme von Exklusion zu verzeichnen – bei großen regionalen Unterschieden: "2017 lebten im Bundesdurchschnitt mehr Menschen mit Behinderungen in stationären Wohneinrichtungen als 2009, auch die Zahl der Werkstattbeschäftigten hat sich stetig erhöht." Im Bildungsbereich sei die sogenannte Exklusionsquote, die den Anteil der Schülerinnen und Schüler außerhalb des allgemeinen Schulsystems erfasst, im Bundesdurchschnitt nicht nennenswert gesunken und in drei Bundesländern sogar gestiegen. Die  Förderung von Jugendlichen mit Förderbedarf finde also fast unvermindert in Sondereinrichtungen statt. Auch das sei mit der UN-BRK nicht in Einklang zu bringen.

Enormes Potenzial der Erneuerung

Die UN-Behindertenrechtskonvention spricht keine unverbindlichen Empfehlungen aus, sondern ist für alle staatlichen Stellen rechtsverbindlich - und damit eine wichtige Richtschnur politischen Handelns für Bund, Länder und Kommunen. In dieser Rechtsverbindlichkeit liegt aus Sicht der Autorinnen und Autoren des Berichts die Kraft der UN-BRK, denn sie zeige die nicht eingelösten gesellschaftspolitischen Versprechen gegenüber dem Individuum auf. Darin liege ein Potenzial gesellschaftlicher Erneuerung, das von Politik und Gesellschaft bei Weitem noch nicht ausreichend wahrgenommen werde. Ob dieses enorme Innovationspotenzial in der kommenden Dekade weiter zur Entfaltung gebracht werden könne, hänge vom politischen Willen und der gemeinsamen Kraftanstrengung ab.

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