12.04.2023 | Redaktion | IAB
Regionen altern unterschiedlich
Analyse des IAB zum demografischen Wandel und seinen Folgen
Die Alterung der Bevölkerung trifft Deutschland regional höchst unterschiedlich. Dies gilt auch für die Alterung der Beschäftigten. Besonders ungünstig ist die Altersverteilung in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet insgesamt eine starke Abnahme des Arbeitskräfteangebots – auch dadurch, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden und durch junge Arbeitskräfte nicht hinreichend ersetzt werden können. Dies verschärft die bereits bestehenden Fachkräfteengpässe.
Ein stark sinkendes Angebot an Arbeitskräften bedeutet für den Arbeitsmarkt eine große Herausforderung. Hinter den Ergebnissen auf nationaler Ebene verbergen sich große regionale Unterschiede. So schwankt die Zahl der älteren sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (50 bis 59 Jahre) je 100 jüngere Beschäftigte (20 bis 29 Jahre) zwischen 91 in Mannheim (Baden-Württemberg) und 315 in Oschatz (Sachsen). Dieser so genannte Altersstrukturquotient, der die Zahl der 50- bis 59-jährigen Beschäftigten ins Verhältnis zur Zahl der 20- bis 29-jährigen Beschäftigten setzt, betrug im Jahr 2020 im Bundesdurchschnitt 141 Prozent. Auf 100 jüngere Beschäftigte (20- bis 29-Jährige) kamen also 141 ältere (50- bis 59-Jährige). In Westdeutschland lag dieser Wert bei 133 Prozent, in Ostdeutschland mit 192 Prozent deutlich höher. Der hohe ostdeutsche Wert resultiert vor allem aus der im Osten besonders schwachen Besetzung der Geburtsjahrgänge 1991 bis 2000, jener Jahrgänge also, die 2020 die Gruppe der 20- bis 29-Jährigen gebildet haben.
Für diese schwache Besetzung, die sich bei den Jahrgängen 2001 bis 2005 (15- bis 19-Jährige) fortsetzt, sind zwei Gründe maßgebend: zum einen die nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland um etwa zwei Drittel eingebrochenen Geburtenraten, die sich erst ab 1995 allmählich wieder erholten, zum anderen die bis 2008 anhaltende erwerbsorientierte Abwanderung vieler Jüngerer in den Westen. Diese Besonderheiten in der demografischen Entwicklung werden viele ostdeutsche Regionen langfristig prägen. In 25 der 36 ostdeutschen Agenturbezirke droht eine große Nachwuchslücke. Dabei weisen städtische Regionen eine günstigere Altersstruktur auf als ländliche. Dieser Stadt-Land-Unterschied zeigt sich auch in Westdeutschland.
Dramatische Folgen für Alten- und Krankenpflege
Besonders im Bereich der Alten- und Krankenpflege sind die regionalen Unterschiede in der Altersstruktur dramatisch. Hier sind die Altersstrukturquotienten in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands – also gerade dort, wo besonders viele Pflegekräfte gebraucht werden – um ein Mehrfaches höher als in den meisten Ballungsräumen. Aus Sicht des IAB muss es nicht nur darum gehen, dass Deutschland insgesamt mehr Pflegekräfte gewinnt: "Es geht auch darum, wie man vor allem diejenigen Regionen für Menschen in Pflegeberufen attraktiver macht, in denen ein besonders dramatischer Pflegenotstand droht." So könnten Pflegekräfte, die bereit sind, in diesen Regionen zu arbeiten, beispielsweise eine finanzielle Zulage erhalten – ähnlich wie bei Ärzten, denen ebenfalls einen Zuschuss gewährt wird, wenn sie sich in Regionen mit geringer Arztdichte niederlassen.