12.07.2018
Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien
Kein Wundermittel, aber ein vielversprechender Ansatz
Im internationalen Vergleich mit anderen Industrienationen hängt der Bildungserfolg in Deutschland immer noch zu stark von der sozialen Herkunft ab. Um diesen Effekt auszugleichen, setzen immer mehr Schulen auf individuelle Förderung im Unterricht. Ein Team europäischer Bildungsforscher hat jetzt im Auftrag der Robert Bosch Stiftung GmbH untersucht, ob digitale Medien das personalisierte Lernen unterstützen können, indem sie zum Beispiel den Wissensstand prüfen und Lerninhalte anpassen.
„Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien ist kein Wundermittel, aber ein vielversprechender Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte“, sagt Studienautorin Heike Schaumburg vom Institut für Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Für die Studie „Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Ein roter Faden.“ hat sie gemeinsam mit Wissenschaftlern der Open University und des University College London knapp 30 digitale Lernwerkzeuge untersucht, die erfolgreich im In- und Ausland eingesetzt wurden.
Noch zu wenig über Wirksamkeit der Lernwerkzeuge bekannt
Schulen in Deutschland stehen aus Sicht der Experten gleich vor mehreren Herausforderungen, wenn sie die digitalen Angebote im Unterricht einsetzen wollen. Neben der notwendigen technischen Infrastruktur mangele es vor allem an den passenden pädagogischen Konzepten. Hinzu kommen hohe Kosten für Entwicklung und Anschaffung und bisher ungeklärte Fragen im Hinblick auf den Datenschutz und die Datensicherheit der digitalen Lernwerkzeuge.
„Neben der kaum vorhandenen praktischen Erfahrung an deutschen Schulen, gibt es bisher wenig Angebote in deutscher Sprache und keine groß angelegten Evaluationen, die die Wirksamkeit einzelner Lernwerkzeuge in der Breite untersuchen“, sagt Heike Schaumburg. Das mache es Lehrenden in Deutschland besonders schwer, passende Angebote zu identifizieren.
Für die Studie haben die Wissenschaftler deshalb einen Leitfaden entwickelt, der es Lehrkräften ermöglichen soll, selbst zu beurteilen, ob ein digitales Lernwerkzeug zu ihrer Unterrichtspraxis und den Lernbedürfnissen ihrer Schülerinnen und Schüler passt. Auch für die Umsetzung in der Praxis haben die Wissenschaftler konkrete Leitlinien formuliert, zentraler Ausgangspunkt dabei: die Pädagogik voranstellen, nicht die Technik. Ein digitales Lernwerkzeug könne weder die Unterstützung und Rückmeldung durch die Lehrkräfte, noch die Interaktion und den Austausch mit Mitschülern ersetzen.
Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft und Stiftungen
In ihrer Studie raten die Experten zudem zu einer Strategie, die bestehende bildungspolitische Forderungen nach einer stärkeren individuellen Lernförderung, der Inklusion und einem verstärkten Einsatz digitaler Medien in der Schule sinnvoll miteinander verknüpft. Dabei warnen sie vor einer einseitigen Konzentration auf technische Lösungen. Eine nachhaltige Strategie müsse neben der Technologie auch ihren pädagogisch und personell gerahmten Einsatz in der Schule im Blick behalten. Dazu gehöre u.a. auch die enge Zusammenarbeit mit Schulen bei der Entwicklung von Softwarelösungen.
Auf administrativer Ebene sehen die Autoren die größten Herausforderungen in der Bereitstellung der technischen Infrastruktur und dem Datenschutz. Dahingehende Konzepte zur technischen Ausstattung sowie zur Sicherheit von Daten sollten gemeinsam von Ländern, Kommunen und Schulen entwickelt werden.
In der Forschung fehle es hingegen vor allem an qualifizierten Evaluationen. Sie seien dringend notwendig, um herauszufinden, ob und wie der Einsatz digitaler Medien in der schulischen Praxis und auch in größerem Maßstab effektiv und nachhaltig funktioniere, so die Experten. Staat, Stiftungen und Geldgeber sollten die vielversprechendsten digitalen Werkzeuge längerfristig finanzieren und in die Fortbildung von Lehrkräften investieren.
Mehr Wissen für die Praxis
„Personalisiertes Lernen ist ein Weg, um der Vielfalt in deutschen Klassenzimmern gerecht zu werden. Offen ist, ob digitale Medien hierbei helfen können. Die Arbeit des Forscherteams ist ein erster Schritt, der uns aktuelle Erkenntnisse aus dem Aus- und Inland zusammenstellt. Damit möchten wir einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Unterricht leisten“, sagt Uta-Micaela Dürig, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung.