09.11.2020 | Redaktion | SVR
Heraus aus dem Labyrinth
Wie kann man jungen Neuzugewanderten den Weg in Berufsbildung erleichtern?
Seit dem Jahr 2014 sind mehr als fünf Millionen Jugendliche und junge Erwachsene in die Europäische Union geflüchtet oder anderweitig zugewandert. Eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) identifiziert am Beispiel von vier EU-Mitgliedstaaten die Strukturen und Praktiken, die den Zugang von jungen Menschen zu beruflicher Bildung erleichtern. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Bildungsintegration auf kommunaler Ebene sowie den dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wege zur beruflichen Bildung ebnen - Infografik: SVR / Julia Schorcht
Der Forschungsbereich beim SVR hat in den ausgewählten EU-Ländern die nationalen, regionalen und kommunalen Gesetze und Vorschriften, die den Zugang zum Beginn einer Ausbildung regeln, sowie die Zugangspraxen untersucht und 122 Experteninterviews ausgewertet. Das Ergebnis: Überall gleicht der Weg in die Ausbildung häufig einem Labyrinth. Wer wegen seines Aufenthaltsstatus keine Arbeitserlaubnis besitzt, nicht die notwendigen Zertifikate vorlegen kann oder infolge seines Alters nicht schulpflichtig ist, muss oft längere Umwege auf sich nehmen.
Zwar bieten die vier Staaten Sprachkurse und häufig auch fachliche Fortbildungen zur Vorbereitung an, doch ist dieses Angebot zum einen oft unübersichtlich – etwa in Deutschland oder Österreich – oder darüber hinaus unzureichend – etwa in Spanien oder Slowenien. Zum anderen müssen die potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Kurse zahlreiche Voraussetzungen erfüllen, ähnlich wie bei den Ausbildungen selbst. Darüber hinaus belasten im Alltag finanzielle Engpässe, zunächst wenig Systemkenntnis, ein hohes sprachliches und fachliches Lernpensum sowie bisweilen psychische, soziale und wohnräumliche Schwierigkeiten oder Diskriminierung junge Neuzugewanderte.
Spielraum zur Gestaltung
Lena Rother, Mitarbeiterin im SVR-Forschungsbereich und Co-Autorin der Studie hob bei der Präsentation der Ergebnisse hervor: "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen – zum Beispiel in Beratungsstellen, Bildungsstätten und Behörden – verfügen über Spielraum, den Zugang zu beruflicher Bildung zu gestalten. Sie können die Wege durch das Labyrinth erleichtern oder erschweren, je nachdem, auf welche Weise sie ihren Ermessensspielraum auslegen." Drei Faktoren beeinflussen der Studie zufolge die Entscheidungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders: eine wahrgenommene Rechtsunsicherheit, knappe Ressourcen und individuelle Überzeugungen. Letztere werden unter anderem dadurch beeinflusst, wie viel Kontakt die Verantwortlichen zu Neuzugewanderten haben.
"Um den Weg zum Ausbildungsbeginn zu verkürzen, sollten Sprach- und Vorbereitungskurse ausgeweitet und sollte die berufliche Ausbildung flexibilisiert werden", sagte Dr. Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs. Daneben benötigten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen unterstützende Strukturen, damit eine Ausbildungsvorbereitung aus einer Hand gelingen könne. Bildungsnetzwerke hätten sich hier bewährt. Die Studie empfiehlt außerdem, Neuzugewanderte möglichst kontinuierlich zu betreuen.