15.08.2023 | Redaktion | Arbeitswelt-Portal
Die Kompetenzen Geringqualifizierter
Gastbeitrag im Arbeitswelt-Portal zu heterogener Gruppe mit Fachkräftepotenzial
Das Bild von Geringqualifizierten wird oft dadurch geprägt, dass die Defizite dieser Menschen betont werden – das zeigt schon das Wort "gering". In einem Gastbeitrag für das Arbeitswelt-Portal heben die IAB-Wissenschaftlerinnen Carola Burkert und Britta Matthes hervor, wie vielseitig die ausgeübten Tätigkeiten dieser Personengruppe sind. Lediglich 40 Prozent arbeiten auf Helferniveau. Etwa der gleiche Anteil ist in Tätigkeiten zu finden, für die typischerweise ein berufsqualifizierender Abschluss erforderlich ist. Jeweils fünf Prozent arbeiten sogar auf Spezialisten- und auf Expertenniveau.
Beim Anforderungsniveau der beruflichen Tätigkeiten Geringqualifizierter zeigen die Autorinnen, dass diese keineswegs dem vorherrschenden Bild entsprechen, nach dem sie in der Regel Helfertätigkeiten erledigen. Sie üben häufig qualifizierte, nicht selten auch hochqualifizierte Berufe aus. Sie haben Kompetenzen, die sie bei ihrer Arbeit einsetzen, die sie sich aber nicht zertifizieren lassen können. Ohne Nachweis ist es jedoch auf dem deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor deutlich schwerer, eine ihren Kompetenzen entsprechende Beschäftigung zu finden. Auch ein Betriebswechsel ist damit für Geringqualifizierte, selbst wenn sie einschlägige Berufserfahrungen haben, eine schwierige Herausforderung. Die Wissenschaftlerinnen schließen daraus: "Gäbe es Verfahren, mit denen man sich die informell erworbenen Kompetenzen relativ unkompliziert zertifizieren lassen könnte, würden berufserfahrene Geringqualifizierte auch zur Schließung der Fachkräfteengpässe beitragen können."
Carola Burkert und Britta Matthes betonen, dass die sogenannten "Geringqualifizierten" eine äußerst heterogene Personengruppe und die Voraussetzungen für eine Qualifizierung als Fachkräfte dementsprechend sehr unterschiedlich sind. Es sind häufig grundlegende Kompetenzen vorhanden. Zwar ergaben Auswertungen des Nationalen Bildungspanels (NEPS), dass für einen Teil der Geringqualifizieren durch eine Alphabetisierung zunächst die Grundlagen geschaffen werden müssen, damit sie eigenständig lernen können. Qualifizierungsprogramme, die Teilnehmende allein anhand des Merkmals "geringqualifiziert" auswählen, sind aus ihrer Sicht aber zu wenig zielgruppenspezifisch, als dass sie wirklich erfolgreich sein könnten. Wichtig für eine zielgruppengerechte Qualifizierung sei zunächst, die vorhandenen Kompetenzen bei jedem Einzelnen zu erfassen. Anschließend sollten gemeinsam mit den Teilnehmenden individuelle Lern- und Qualifizierungsziele erarbeitet werden, die auf ihren jeweiligen Stärken aufbauen.