07.05.2024

Den Übergang Schule – Beruf inklusiv gestalten

Gelingensbedingungen aus dem Projekt "Ausbildung garantiert!?"

von Mareike Krebs und Susanne Nowak

Das Projekt "Ausbildung garantiert!?" begleitet die politischen und fachlichen Diskurse zur Ausbildungsgarantie. Im Fokus steht dabei die angestrebte inklusive Ausgestaltung des Übergangs Schule – Beruf, ausgerichtet an den Bedarfen der jungen Menschen. Aus den Erfahrungen von gut erprobten, inklusiv ausgerichteten Praxisansätzen der Jugendsozialarbeit konnten im Projekt strukturelle Anforderungen an einen neugestalteten Übergangsbereich abgeleitet werden. Unter anderem wurden Inklusionskriterien für sozialpädagogische Angebote am Übergang beschrieben, deren Anwendung erheblich dazu beitragen könnte, dass alle jungen Menschen die nötige Unterstützung bekommen, um erfolgreich eine Ausbildung zu absolvieren.

Die Zahl junger Menschen ohne formalen Berufsabschluss steigt in Deutschland laut Berufsbildungsbericht 2023 kontinuierlich an. (1) Nach Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) anhand der Daten des Mikrozensus waren im Jahr 2021 2,64 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. (2) Die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt – die Gleichzeitigkeit von nicht besetzten Ausbildungsstellen und jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden – und der zunehmende Druck des Fachkräftemangels riefen auch die Politik auf den Plan. So hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Einführung einer Ausbildungsgarantie angekündigt. Aus Sicht unseres Projekts reichen die rechtlichen Änderungen, die im Juli 2023 im Rahmen des Aus- und Weiterbildungsgesetzes beschlossen wurden, nicht aus, um tatsächlich allen jungen Menschen eine Ausbildung zu garantieren.

Viele junge Menschen streben nach der Schule eine Berufsausbildung an. Einem Teil der jungen Menschen gelingt der Übergang in den Beruf jedoch erst nach Jahren oder auch auf lange Sicht gar nicht. Eine Reihe von exkludierenden Faktoren beeinflussen das Gelingen eines reibungslosen Übergangs von der Schule in die Ausbildung. (3) Perspektivlosigkeit, sozialer Rückzug und Gefühle des Scheiterns belasten die Betroffenen häufig. Fehlende gesellschaftliche Teilhabe und Armut können die Folge sein.

Welche Änderungen sind am Übergang Schule – Beruf nötig und wie muss eine Ausbildungsgarantie aus Sicht der Jugendsozialarbeit letztlich ausgestaltet und umgesetzt werden? Welche Rahmenbedingungen sind erforderlich, um einen raschen und nachhaltigen Übertritt von der Schule in die Ausbildung zu befördern?

Die Jugendsozialarbeit hat den gesetzlichen Auftrag, die Teilhabe sozial benachteiligter und individuell beeinträchtigter junger Menschen zu fördern. Insofern hat die Jugendsozialarbeit grundsätzlich den Anspruch, zur Verwirklichung von Inklusion beizutragen, stößt aber in der Praxis aufgrund von Förderbedingungen immer wieder an Grenzen. Daher müssen die Inklusionskriterien bereits in der Konzeption von Angeboten und Maßnahmen des Übergangs berücksichtigt werden, um in der Praxis wirksam werden zu können.

Inklusion bedeutet, dass die Rahmenbedingungen am Übergang Schule – Beruf den individuellen Bedarfen junger Menschen gerecht werden.

 

Im Projekt haben wir auf Basis von Praxiserkenntnissen sieben Inklusionskriterien erarbeitet. (4) Abgeleitet wurden diese aus einem Workshop mit Vertreter*innen von sieben ausgewählten Praxisprojekten wie Frank Neises vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Im Workshop haben wir Prinzipien und Rahmenbedingungen von Angeboten der Jugendberufshilfe herausgearbeitet, die deren inklusiven Charakter ausmachen.

Wir verstehen Inklusion in der beruflichen Bildung als einen Veränderungsprozess, in dem strukturelle Barrieren und exkludierende Faktoren Stück für Stück abgebaut werden. Inklusion bedeutet, dass die Rahmenbedingungen am Übergang Schule – Beruf den individuellen Bedarfen junger Menschen gerecht werden. Unserem Inklusionsverständnis nach sind alle Diversitätsdimensionen zu berücksichtigen. Ein besonderer Fokus sollte auf denjenigen jungen Menschen liegen, die auf dem Ausbildungsmarkt nachweislich benachteiligt werden und dringend auf Unterstützung angewiesen sind: junge Menschen ohne oder mit niedrigem Schulabschluss, mit Behinderung, Lernschwierigkeiten, psychischer oder körperlicher Erkrankung, Flucht- oder Migrationserfahrung, sowie junge Alleinerziehende, queere Jugendliche und junge Menschen aus armutsbetroffenen Familien.

Inklusionskriterium 1: Niedrigschwellige Zugänge

Angebote sollten so gestaltet sein, dass sie niemanden ausbremsen. Bild: Klaus Eppele/Adobe Stock

Da Inklusion alle Menschen in ihrer ganzen Vielfalt betrifft, müssen inklusive Angebote am Übergang Schule – Beruf grundsätzlich allen jungen Menschen offenstehen, die Interesse daran haben. Die Zielgruppe von Angeboten mit Kategorien wie zum Beispiel "Benachteiligung" oder "Behinderung" zu definieren, bedeutet, sie in Schubladen zu stecken. Durch diese Etikettierung wird die Zielgruppe stigmatisiert, was sich nicht nur auf ihre Eigenwahrnehmung negativ auswirkt, sondern auch zu Voreingenommenheit aufseiten von Fachkräften und Betrieben führen kann.

Niedrigschwelligkeit bedeutet auch, die Teilnahme an den Angeboten ohne bürokratischen Aufwand zu ermöglichen, das heißt beispielsweise, ohne dass erst eine Zuweisung durch eine übergeordnete Stelle erfolgen muss.

Die Angebote müssen so gestaltet sein, dass alle jungen Menschen teilnehmen können. Dies beinhaltet eine Kultur der Offenheit, die auch marginalisierte Zielgruppen nicht ausgrenzt.

 

Wichtig für die Realisierung von niedrigschwelligen Zugängen ist zudem der Ort, an dem die Angebote stattfinden. Damit Jugendliche unkompliziert auf das Angebot aufmerksam werden, findet es dort statt, wo junge Menschen regelmäßig Zeit verbringen, wie zum Beispiel an der Schule, im Ausbildungsbetrieb, am Bahnhof oder im Jugendzentrum. Die Angebote müssen so gestaltet sein, dass alle jungen Menschen teilnehmen können. Dies beinhaltet eine Kultur der Offenheit, die auch marginalisierte Zielgruppen nicht ausgrenzt.

Um niedrigschwellige Zugänge im Sinne von Barrierefreiheit zu gewährleisten, müssen Hürden beispielsweise aufgrund baulicher Gegebenheiten oder sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten abgebaut sein. Entsprechend den individuellen Bedarfen der Teilnehmenden sind technische Hilfsmittel oder zusätzliche Unterstützungsleistungen (zum Beispiel für Übersetzungen) bereitzustellen. Hierzu gehört auch, Informationen in einfacher Sprache vorzuhalten.

  • Zu besonders niedrigschwelligen Praxisbeispielen gehört die Schulsozialarbeit, die allen jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung steht.
  • Grundsätzlich ist die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit innerhalb von Jugendberufsagenturen ein sinnvolles Konzept, um den Übergang niedrigschwellig zu gestalten. Es genügt jedoch nicht, alle betroffenen Akteur*innen an einem Ort zu bündeln, sondern es müssen auch weitere Aspekte von Niedrigschwelligkeit sowie die noch folgenden Inklusionskriterien berücksichtigt werden.

Inklusionskriterium 2: Verlässliche Beziehungen

Das hält! Eine vertrauensvolle Begleitung ist entscheidend für die Wirksamkeit von Angeboten. Bild: Sashkin/Adobe Stock

Ob sozialpädagogische Angebote Wirkung zeigen, hängt maßgeblich von der Qualität der Beziehung zwischen den Fachkräften und Jugendlichen ab. Es bedarf einer von Vertrauen und Verlässlichkeit geprägten Beziehung, damit junge Menschen den Fachkräften gegenüber offen ihre Probleme und Fragen ansprechen sowie Unterstützung in Anspruch nehmen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie entsprechend ihrer individuellen Bedarfe gefördert werden können.

Der Aufbau einer verlässlichen Beziehung gelingt leichter, wenn die Angebote an Orten stattfinden, an denen sich Jugendliche ohnehin regelmäßig aufhalten (siehe Inklusionskriterium 1). Auf diese Weise wissen die jungen Menschen schon früh von der Existenz eines Angebots und kennen die Fachkräfte schon vom Sehen oder Hörensagen, obwohl sie noch nicht in unmittelbarem Kontakt zu ihnen stehen. Sobald die Jugendlichen Unterstützungsbedarf haben, können sie unkompliziert den direkten Kontakt zu den Fachkräften aufnehmen.

Für eine verlässliche Beziehung ist es wichtig, dass die Jugendlichen über einen längeren Zeitraum begleitet werden können und dass es möglich ist, die Intensität und Dauer der Begleitung an die Bedürfnisse der jungen Menschen anzupassen.

Dementsprechend müssen für eine qualitativ hochwertige Beziehungsarbeit geeignete Rahmenbedingungen gewährleistet sein: Hier ist besonders auf personelle Kontinuität aufseiten der Fachkräfte zu achten, auf einen bedarfsgerechten Personalschlüssel sowie auf eine technische Ausstattung, welche die Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle ermöglicht.

  • Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass manche jungen Menschen erst nach mehreren Begegnungen so viel Vertrauen gefasst haben, um darüber zu sprechen, welche Probleme sie belasten. Hilfreich kann es sein, wenn sie zunächst ohne konkreten Gesprächsanlass Zeit mit den sozialpädagogischen Fachkräften verbringen können, zum Beispiel beim Tischkickern oder anderen gemeinsamen Aktivitäten.

    So zielt auch der § 16h SGB II explizit darauf ab, zunächst eine stabile und verlässliche Beziehung zu den jungen Menschen zu gestalten, bevor in einem nächsten Schritt deren Unterstützungsbedarf eruiert wird,  um erst dann eine berufliche Perspektive mit den jungen Menschen zu entwickeln. Diese Angebote sollten – auch aufgrund der postpandemischen Situation junger Menschen und der Schwierigkeit, sie mit „normalen“ Angeboten zu erreichen – ausgebaut werden.

Inklusionskriterium 3: Flexibilität

Viele Wege führen nach Rom – mit flexiblen Angeboten zum Ausbildungsabschluss. Bild: Claudio Caridi/Adobe Stock

Welche Unterstützung junge Menschen benötigen, hängt maßgeblich von ihrer Lebenssituation und ihren Lebensthemen ab, die sich gerade im Jugendalter schnell ändern können. Dementsprechend müssen Angebote am Übergang Schule – Beruf inhaltlich und zeitlich möglichst flexibel ausgestaltet sein.

Wichtig ist zudem, dass die Fachkräfte die gesetzlichen Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Ausbildung kennen und die jungen Menschen bei Bedarf dabei unterstützen, sie in Anspruch zu nehmen. Ein bisher zu selten genutztes Beispiel für eine Flexibilisierung ist die Teilzeitausbildung. Einigen jungen Menschen gelingt es nicht, eine Ausbildung in Vollzeit erfolgreich abzuschließen, weil diese zum Beispiel durch familiäre Sorgearbeit oder gesundheitliche Einschränkungen (auch psychischer Art) auf Dauer zu belastend ist. Für sie wäre die Teilzeitausbildung eine echte Chance. Jedoch müssen dringend die bürokratischen Hürden abgebaut werden, die einer Teilzeitausbildung entgegenstehen und aktuell zu einer sehr geringen Teilzeitausbildungsquote führen.

Ebenfalls selten in Anspruch genommen wird die Möglichkeit, die Ausbildungsdauer auf bis zu fünf Jahre auszuweiten. Ein weiterer gesetzlich verankerter Spielraum zur Flexibilisierung, der aufgrund unzureichender Bekanntheit und bürokratischer Hindernisse noch zu wenig genutzt wird, sind Nachteilsausgleiche. Dadurch werden die Rahmenbedingungen von Prüfungen an die jeweilige Behinderung oder Einschränkung angepasst.

  • Erkenntnisse aus der Praxis zeigen, dass bei psychisch kranken Jugendlichen die Zahl der Ausbildungsabbrüche durch eine Verlängerung der Ausbildungsdauer auf bis zu fünf Jahre deutlich verringert werden konnte. Nach einer Unterbrechung zum Beispiel aufgrund eines stationären Klinikaufenthalts sollte es auch bei ausbildungsvorbereitenden Angeboten möglich sein, die Teilnahme an einem Angebot wieder aufzunehmen.

Inklusionskriterium 4: Kompetenzorientierung

Stärken sichtbar machen – junge Menschen werden ermutigt, diese einzubringen. Bild: Lyndon Stratford/peopleimages.com/Adobe Stock

Sozialpädagogische Angebote mit inklusivem Charakter orientieren sich konsequent an den Kompetenzen der Teilnehmenden. Sie befähigen junge Menschen dazu, ihre Kompetenzen und Stärken wahrzunehmen und zu benennen.

Zudem bieten sie den Jugendlichen Möglichkeiten, ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Mitgestaltung der Angebote einzubringen. Junge Menschen werden als Expert*innen ihrer eigenen Lebenssituation anerkannt. Mit Unterstützung der Fachkräfte formulieren sie, welche Schritte sie als nächstes gehen möchten, und sie entwickeln Handlungsoptionen, um Probleme und Diskriminierungserfahrungen zu bewältigen. Die aktive Mitgestaltung der Angebote stärkt das Selbstbewusstsein und die Eigenverantwortung der Jugendlichen.

  • Empfehlenswert für die Praxis ist es, den Jugendlichen Räume zu bieten, in denen sie ihre Kenntnisse sowie Erfahrungen mit Gleichaltrigen teilen können. Wenn junge Menschen ihre Kompetenzen einbringen und damit Peers weiterhelfen, machen sie Erfahrungen der Selbstwirksamkeit.

Inklusionskriterium 5: Nähe zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt

Connections pflegen – Kontakte der Fachkräfte zur Arbeitswelt eröffnen Chancen. Bild: PETR BABKIN (KI-generiert)/Adobe Stock

Ein weiteres wichtiges Kriterium für die inklusive Ausrichtung von Angeboten ist deren Nähe zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Inklusive Angebote bieten Unterstützung innerhalb regulärer Systeme, statt Parallelstrukturen zu bilden. Daher kooperieren sie eng mit Betrieben und Einrichtungen. Sie bieten Jugendlichen unterschiedliche Möglichkeiten, um Einblicke in verschiedene Arbeitswelten zu bekommen und erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. Für gelungene Kooperationen mit Ausbilder*innen und Arbeitgeber*innen brauchen sozialpädagogische Fachkräfte zeitliche Ressourcen für den Aufbau und die Pflege der Kontakte.

  • Langjährige Erfahrungen in der Jugendberufshilfe zeigen, dass sich die Investition in eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen sozialpädagogischen Fachkräften und (potenziellen) Ausbildungsbetrieben lohnt: Wenn Ausbilder*innen beziehungsweise Arbeitgeber*innen erleben, dass sie bei Problemen und Fragen nicht allein gelassen werden, steigt ihre Bereitschaft, Jugendlichen mit schwierigen Ausgangsbedingungen einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz anzubieten.
  • Bei der assistierten Ausbildung (AsA flex) ist die enge Kooperation mit den Betrieben ein grundlegendes Prinzip. Jedoch stehen den sozialpädagogischen Fachkräften aufgrund zunehmender administrativer Aufgaben weniger zeitliche Ressourcen dafür zur Verfügung.

Inklusionskriterium 6: Multiprofessionalität

Multiple Problemlagen erfordern Vernetzung und Austausch mit anderen Fachstellen. Bild: Ilia Nesolenyi (KI-generiert)/Adobe Stock

Junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden, haben häufig multiple Problemlagen zu bewältigen. Dazu gehören psychische oder familiäre Krisen sowie Themen wie Wohnungssuche, Schulden oder Essstörungen. Dies muss in der Konzeption der Angebote berücksichtigt werden. Für eine erfolgreiche Unterstützung junger Menschen bei multiplen Problemlagen bedarf es einer multiprofessionellen Zusammenarbeit. Wichtig ist eine gute Vernetzung mit weiteren Fachstellen wie zum Beispiel der Teilhabeberatung, Wohnungslosenhilfe oder Suchtberatung. Um die Wirksamkeit einer Verweisberatung zu erhöhen und den Übergang zu anderen Beratungsstellen niedrigschwellig zu gestalten, empfiehlt es sich, dass die sozialpädagogischen Fachkräfte die jungen Menschen – sofern gewünscht – zu den Fachstellen begleiten.

  • Gute Erfahrungen haben Angebote der Jugendberufshilfe damit gemacht, niedrigschwellige therapeutische beziehungsweise psychologische Hilfen direkt in das Angebot zu integrieren, zum Beispiel durch eine wöchentliche Sprechstunde einer psychologischen Fachkraft vor Ort. Denn gerade junge Menschen mit (häufig noch gar nicht diagnostizierten) psychischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen haben große Hemmungen, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Inklusionskriterium 7: Freiwilligkeit

Die jungen Menschen entscheiden, ob und wann sie Angebote annehmen möchten. Bild: 株式会社Ryuki Design/Adobe Stock

Angebote, die Inklusion zum Ziel haben, sollten das Prinzip der Freiwilligkeit berücksichtigen. Junge Menschen werden in ihrer Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gefördert, wenn sie selbst entscheiden, ob sie Angebote annehmen möchten oder nicht.

Damit keine jungen Menschen verloren gehen, bedarf es aufsuchender Arbeit, bei der sozialpädagogische Fachkräfte mit den Jugendlichen in Kontakt treten und herausfinden, warum ein Angebot nicht angenommen beziehungsweise die Teilnahme abgebrochen wurde. So können individuelle Lösungen gefunden werden: Möglicherweise bedarf es Anpassungen bei der Inanspruchnahme des jeweiligen Angebots oder es wird eine andere Form der Unterstützung benötigt.

  • In der Praxis ist die Haltung der sozialpädagogischen Fachkräfte entscheidend: Sie sollten davon ausgehen, dass die Jugendlichen relevante Gründe dafür haben, warum sie ein Angebot vorübergehend nur unregelmäßig oder gar nicht wahrnehmen. Häufig führen akute Krisen oder belastende Lebensereignisse zur Ablehnung von Angeboten. Die Erfahrung zeigt, dass dauerhafte Kontaktabbrüche vermieden werden können, wenn die Tür offensteht, damit junge Menschen zu einem späteren Zeitpunkt wieder teilnehmen können.

Inklusionskriterien kurzgefasst

1 Niedrigschwellige Zugänge
2 Verlässliche Beziehungen
3 Flexibilität
4 Kompetenzorientierung
5 Nähe zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
6 Multiprofessionalität
7 Freiwilligkeit

Auftrag für die Jugendsozialarbeit

Die Jugendsozialarbeit ist als Akteurin in der beruflichen Bildung gefordert, das bestehende, exkludierend wirkende System und dessen Angebote inklusiv(er) zu gestalten. Im Hinblick auf die Mitgestaltung inklusiver beruflicher Bildung muss sie die Angebote der Jugendsozialarbeit im Übergang Schule – Beruf prüfen beziehungsweise bestehende Angebote um die hier beschriebenen Inklusionskriterien ergänzen. Dies wird aufgrund von förderstrukturellen Rahmenbedingungen nicht flächendeckend realisierbar sein. Deshalb muss die Jugendsozialarbeit auch auf politischer Ebene die identifizierten Selektionsmechanismen des (Aus-)Bildungssystems kritisch hinterfragen und Vorschläge für dessen inklusive Neugestaltung unterbreiten.

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