15.08.2022
Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung
Was ist das und wie kann sie gelingen?
von Christian Melzig
Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr facettenreich – und wirft entsprechend viele Fragen auf: Soll Auszubildenden beigebracht werden, Strom oder Druckluft einzusparen? Sollen sie in "grünen Berufen“ lernen, Photovoltaikanlagen zu installieren? Oder geht es um etwas Grundsätzlicheres? Ist das nur etwas für große Unternehmen mit eigenen Ausbildungsabteilungen und Nachhaltigkeitsbeauftragten, oder auch für Berufskollegs? Wer soll Auszubildende "nachhaltig“ ausbilden und wie macht man das eigentlich? Die Aufgabe der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung besteht darin, wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah und anwendungsorientiert Antworten auf diese Fragen zu finden.
Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) |
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BBNE wird als lebensbegleitender Prozess und zentrales Element einer Bildung verstanden, die das Individuum befähigt, sich mit aktuellen und künftigen Herausforderungen in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen verantwortlich auseinanderzusetzen. Dabei gilt es, das berufliche Handeln an seinen intra- und intergenerativen Wirkungen der ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen orientieren zu können (vgl. DUK 2014; Nationale Plattform BNE/BMBF 2017). |
Die Brundtland Kommission, auch Weltkommission für Umwelt und Entwicklung genannt, veröffentlichte 1987 den Report "Unsere gemeinsame Zukunft", in dem erstmals das Konzept der nachhaltigen Entwicklung formuliert und definiert wurde. Dies war Anlass für einen weltweiten Diskurs mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit für das Thema Nachhaltigkeit, der heute jeden Tag wichtiger wird. Die deutsche Version des Berichts wurde vom damaligen Forschungsminister Volker Hauff herausgegeben. Die darin formulierte Definition nachhaltiger Entwicklung betont vor allem die intra- und intergenerationelle Perspektive. Demnach gehe es um eine "Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (vgl. Hauff 1987, S. 46). Dies beinhaltet auch, nicht ausschließlich Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben, sondern darüber hinaus ökonomische und soziale Anforderungen zu berücksichtigen. Für die berufliche Ausbildung bedeutet das, dass Auszubildende Kompetenzen erlangen müssen, um solche Aspekte in ihrer beruflichen Tätigkeit einzubeziehen und, wo möglich, die Arbeit selbst entsprechend zu gestalten – auch nach Abschluss der Ausbildung.
Wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Arbeitswelt
Das in Folge des Berichts entstandene Leitbild nachhaltiger Entwicklung bekommt heutzutage in Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zunehmend Aufmerksamkeit. Die "Fridays for Future“-Bewegung ist eines der prominentesten Beispiele, weitere wären unter anderem neue Gesetze und Richtlinien zur Reduzierung von Verpackungen, der Sicherung sozialer Standards in der Lieferkette oder Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit und "corporate social responsibility“. Gerade auch für junge Leute werden nachhaltig handelnde Unternehmen als Ausbildungsort immer attraktiver. Für einen Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Prinzip des eigenen Denkens und Handelns und übt einen Einfluss auf die individuelle Zukunftsplanung aus.
Wichtig zu betonen ist, dass es beim Thema "nachhaltig im Beruf“ nicht nur um die sogenannten "grünen Berufe“ geht.
Themen wie Umwelt- und Naturschutz, die Nutzung von erneuerbaren Energien und die Auswirkungen des eigenen Handelns beeinflussen auch die Berufswahl. Junge Menschen entscheiden sich daher zunehmend für einen Karriereweg, in dem Nachhaltigkeitsaspekte eine Bedeutung besitzen. Um die Jugendlichen für eine Ausbildung im Betrieb zu gewinnen, kann eine stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeit ein entscheidender Aspekt sein. Aktuelle Studien zeigen, dass die Besetzung von Stellen in ökologisch nachhaltigeren Unternehmen einfacher ist als in Betrieben, in denen das Thema Nachhaltigkeit bisher keine Rolle spielt (Bellmann/Koch 2019). Auch ein Positionspapier der DGB-Jugend (2021) stellt explizite Forderungen an aus- und weiterbildende Unternehmen in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz aus Sicht der Auszubildenden. Die Integration von Nachhaltigkeit erhöht also die Qualität und die Attraktivität der beruflichen Ausbildung und kann so ein Werkzeug gegen den wachsenden Fachkräftemangel darstellen.
Workshop im Rahmen des Modellversuchs NaReLe. Bild: NaReLe, Leuphana Universität Lüneburg, 2019
Wichtig dabei zu betonen ist, dass es beim Thema "nachhaltig im Beruf“ nicht nur um die sogenannten "grünen Berufe“ geht. Hiermit sind, je nach Quelle, häufig land- oder forstwirtschaftliche Berufe gemeint, wieder andere meinen damit Berufe, die sich beispielsweise um erneuerbare Energien drehen, wie die Herstellung oder Installation von Windkraftanlagen der Solarpanels. Die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung geht jedoch einen Schritt weiter und gibt vielfältige Beispiele dafür, dass wirklich jeder Beruf nachhaltig(er) werden kann. Im Handel können zum Beispiel nachhaltigere Produkte angeboten und Kund*innen dahingehend beraten werden, ebenso können CO2-freundlichere Transportwege oder plastikreduzierte Verpackungen gewählt werden. In der Touristikbranche können Hotels beispielsweise in Bezug auf die Verpflegung der Gäste oder die Art der Reinigungsmittel nachhaltigere Lösungen finden, andere haben bereits eigene Gärten angelegt, um selbst Obst und Gemüse anzubauen, aber darin auch Biodiversität zu fördern und gleichzeitig den Angestellten sowie den Gästen interessante Lerngelegenheiten über Infotafeln und Mitmachgelegenheiten anzubieten. Betriebliche Mitbestimmung, faire Arbeitsbedingungen und andere Aspekte von "sozialer Nachhaltigkeit“ sind weitere Beispiele, die auch für Auszubildende in jeder Branche und jedem Beruf von Bedeutung sind.
(Berufliche) Bildung als Schlüssel für nachhaltige Entwicklung
Für die Schaffung nachhaltiger Strukturen wird Bildung eine besondere Bedeutung zugeschrieben (vgl. Deutscher Bundestag 2013). Vor allem der Berufsbildung kommt eine Schlüsselrolle zu. So wird beispielsweise die Energiewende maßgeblich durch berufliche Facharbeit realisiert (vgl. Hemkes/Kuhlmeier/Vollmer 2013). Aber auch Handelsunternehmen oder Betriebe im Lebensmittelhandwerk können Einfluss auf die Entscheidungen und Gewohnheiten der Verbraucher*innen nehmen. Möglichkeiten zur nachhaltige(re)n Gestaltung ergeben sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Produktion über den Transport bis zur Interaktion mit den Kunden und Kundinnen am "point of sale“ (vgl. Melzig/Schütt-Sayed 2020). Dazu zählt auch, Werte und Zielkonflikte einzubeziehen. Denn eine Berufsbildung, die auf nachhaltige Entwicklung und die Befähigung zu nachhaltigem Denken und Handeln abzielt, sollte nicht nur isoliert Fachinhalte aufgreifen, wie zum Beispiel das Lernen von Bio- und Nachhaltigkeitssiegeln im Rahmen der Warenkunde. Regionale, saisonale Bio-Lebensmittel könnten Auszubildende auch verkaufen, ohne sich deren Bedeutung für den Klimaschutz bewusst zu sein. BBNE ist damit immer auch Bewusstseinsbildung (vgl. Kuhlmeier u. a. 2017).
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden [...] nicht mehr ausschließlich in den ‚heiligen Hallen‘ der akademischen Forschungsinstitutionen generiert und der bis dahin unbeteiligten Praxis auf dem Tablett serviert, sondern zunehmend koproduktiv und transdisziplinär mit Praktiker*innen gemeinsam in realen Praxiskontexten erzielt.
Die Modellversuche als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis
An dieser Stelle setzen die Modellversuche zur "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ an. Diese funktionieren etwas anders als klassische Forschungs- und Entwicklungsprojekte, gehen nämlich darüber hinaus. Auf die berufliche Bildung bezogen gelten sie als "auf Lernen und Veränderung angelegte Innovationspartnerschaften zwischen Wissenschaft und Praxis [und Politik], in welchen Verbesserungen der betrieblichen Berufsbildung entwickelt, erprobt und für den Transfer aufbereitet werden“ (Hemkes 2012, S. 397). Wissenschaftliche Erkenntnisse werden hier also nicht mehr ausschließlich in den ‚heiligen Hallen‘ der akademischen Forschungsinstitutionen generiert und der bis dahin unbeteiligten Praxis auf dem Tablett serviert, sondern zunehmend koproduktiv und transdisziplinär mit Praktiker*innen gemeinsam in realen Praxiskontexten erzielt. Die Praxisnähe wiederum schließt keinesfalls aus, dass in Modellversuchen (zusätzlich) auch Grundlagenforschung betrieben wird und die Entwicklungen auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Die Ergebnisse und Produkte der BBNE-Modellversuche stellen somit konkrete Bezüge her zwischen dem politisch vorgegebenen Leitbild nachhaltiger Entwicklung und der realen Bildungsarbeit (Melzig/Hemkes/Fernández Caruncho 2018). Eine wichtige Erkenntnis dabei war unter anderem, dass BBNE nicht als zusätzliche Lerneinheit "on top“ gesetzt werden sollte; vielmehr bewährte sich ein induktives Vorgehen, bei dem bereits vorhandene Inhalte und Tätigkeiten durch die "Nachhaltigkeitsbrille“ betrachtet beziehungsweise die Potenziale der Nachhaltigkeit in der Ausbildung und Berufsarbeit genutzt werden (Hemkes/Kuhlmeier/Vollmer 2013).
Die Förderung der BBNE-Modellversuche
Die Modellversuche zur "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE)“ werden vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und fachlich begleitet. Seit 2015 wurden zunächst 18 Verbundprojekte in drei Förderlinien gefördert, mit jeweils eigener projektübergreifender wissenschaftlicher Begleitung. In 12 dieser Modellversuche wurden berufsspezifische nachhaltigkeitsorientierte Kompetenzen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung entwickelt und gefördert. Sechs Modellversuche befassten sich mit Gestaltungsmöglichen für Unternehmen und Betriebe hin zu nachhaltig(er)en Lernorten im Rahmen der Aus- und Weiterbildung. Die Stärke der Modellversuche liegt in der Zusammenarbeit mit über 220 Unternehmen, Berufsschulen und überbetrieblichen Bildungsstätten sowie über 80 Kammern, Verbänden oder Gewerkschaften. So wurden verschiedene Weiterbildungen, Qualifizierungs-Curricula oder Lehr-Lern-Materialien entwickelt, in der Praxis erprobt und evaluiert. Ergebnisse und Materialien finden sich unter www.bbne.de. Aktuell werden bis Anfang 2023 weitere sechs darauf aufbauende Modellversuche gefördert, die sich speziell mit dem Transfer der bisherigen Modellversuchsergebnisse zur BBNE für das Ausbildungspersonal beschäftigen. Neue größere Initiativen und Förderungen sind derzeit bereits in Planung.
Modellversuche 2015-2019
Strukturelle Verankerung von BBNE im Ausbildungssystem
Bezüglich der dauerhaften Etablierung von nachhaltiger Entwicklung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung haben sich zwei Aspekte als bedeutend herauskristallisiert. Zum einen müsse Nachhaltigkeit in die Ausbildungsordnungen integriert werden. Dies ist für neue und neu geordnete Ausbildungsregelungen mit der im Juni 2020 veröffentlichten Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ bereits auf einem allgemeinen Level geschehen. Mit diesem wichtigen Schritt wird Nachhaltigkeit in allen Ausbildungsberufen prüfungsrelevant und damit verpflichtender Ausbildungsinhalt, somit also nicht länger nur abhängig von besonders engagiertem Ausbildungspersonal beziehungsweise engagierten Lehrkräften. Inzwischen stehen auch Umsetzungshilfen für die neue Standardberufsbildposition für die Ausbildungspraxis zur Verfügung (BIBB 2021) und auch die Ergebnisse und Materialien der BBNE-Modellversuche leisten dazu einen hilfreichen Beitrag.
Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit"
1. Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
2. bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
3. für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
4. Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
5. Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
6. unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
bmbf.de: Die neuen Standardberufsbildpositionen
Die neue, allgemein gehaltene Standardberufsbildposition allein ist jedoch noch nicht ausreichend, um Nachhaltigkeit hinreichend in den Ausbildungsordnungen zu integrieren. Vielmehr müssen auch in den für jede Ausbildung berufsspezifisch zu vermittelnden Kompetenzzielen Anknüpfungspunkte zur Nachhaltigkeit integriert werden, denn bei Kaufleuten im Einzelhandel sind beispielsweise ganz andere Nachhaltigkeitskompetenzen von Bedeutung als bei Bäcker*innen oder Fachkräften in der chemischen Industrie. Eine positive Entwicklung in dieser Richtung zeigt sich beispielsweise bereits bei den Neuordnungen zu den Ausbildungsordnungen der Brauer*innen/Mälzer*innen, in der Gastronomie oder bei Hauswirtschafter*innen (Bretschneider/Casper/Melzig 2020).
Ein hilfreiches Instrument zur Gestaltung solcher Ordnungsmittel stammt aus den BBNE-Modellversuchen. So hatten einige dieser Modellversuche zur BBNE das Ziel, die Nachhaltigkeitskompetenzen speziell in Lebensmittelhandwerk und -industrie zu fördern. Im Ergebnis sind für verschiedene Berufe der Branche Nachhaltigkeitskompetenzen erstmals systematisch aus den Berufen heraus identifiziert und beschrieben worden. Ein daraus wiederum abgeleitetes branchenspezifisches Kompetenzmodell zeigt entlang der beruflichen Handlungsfelder auf, was nachhaltiges Denken und Handeln bedeutet, und kann als Ausgangspunkt für die Entwicklung curricularer Lernkonzepte dienen. Vor allem aber kann es als wissenschaftlich fundiertes und praxisnahes Konzept die Modernisierung von Ausbildungsordnungen begleiten – in den Lebensmittelberufen und darüber hinaus.
Modell zur Beschreibung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen in Lebensmittelhandwerk und Lebensmittelindustrie (Kastrup et al. 2021)
Konkrete Tools für Auszubildende und das Ausbildungspersonal
Die zweite häufige Antwort auf die Frage nach der strukturellen Verankerung von BBNE ist, dass die Ausbilder*innen selbst Orientierung und entsprechende Qualifizierung zur BBNE inklusive berufsbezogener Inhalte, didaktischer Methoden und handhabbarer Materialien benötigten. Gleichzeitig sollten sich Unternehmen und andere ausbildende Institutionen selbst zu nachhaltig(er)en Lernorten weiterentwickeln. Die BBNE-Modellversuche und wissenschaftlichen Begleitungen der letzten Jahre stellen hierfür ebenfalls vielfältige wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Lösungen (vgl. Melzig/Kuhlmeier/Kretschmer 2021). Durch solche nah an der beruflichen Handlungskompetenz von Auszubildenden und dem Ausbildungspersonal liegenden Innovationen kann eine (bildungs-)politische Leitidee wie die der nachhaltigen Entwicklung optimal in die betriebliche Ausbildung integriert werden. Gleichzeitig wird das Ausbildungspersonal selber darin geschult, nachhaltige Entwicklung in die Ausbildung einzubringen. Zwei aktuelle Beispiele aus den Modellversuchen sollen an dieser Stelle herausgegriffen werden.
Im Modellversuch "NaMiTec“ (Entwicklung eines Aus- und Weiterbildungskonzeptes zur Erhöhung des Beitrages zur nachhaltigen Entwicklung in der Milchtechnologie) wurden unter anderem konkrete Lehr-/Lern-Module entwickelt, in der Ausbildung erprobt und in großen Teilen der Milchwirtschaft bundesweit in die Ausbildung integriert. Folgende Themen bilden die Schwerpunkte der einzelnen Module: Basiswissen Nachhaltigkeit (M1), Verpackung (M2), Ressourcen (M3), Betriebliche Mitbestimmung (M4) und Nachhaltigkeit und Verantwortung in der Unternehmenskommunikation (M5). Es wird deutlich, dass hier nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und soziale Aspekte, also alle drei Seiten der Nachhaltigkeit berücksichtigt und für diese spezielle Branche greifbar gemacht wurden. Zudem wurde an einem pädagogischen Begleitheft für das Ausbildungspersonal gearbeitet. Dieses soll den Einsatz der Hefte rahmen und weiterführende Informationen vermitteln. Auch enthält es einen Lösungsteil. Alle Hefte werden als "Open Educational Ressource“-Material (OER) angeboten und sind somit frei unter lufa-nord-west.de oder über die BIBB-Webseite www.bbne.de verfügbar.
Ein gutes Beispiel für nachhaltigkeitsbezogene digitale Formate: Die Lehr-Lern-App des BBNE-Modellversuchs
NiB-Scout.
Eine digitale Variante bietet die Lern-App an, die im Modellversuch "NiB-Scout“ (Nachhaltigkeit im Bäckerhandwerk) entwickelt und erprobt wurde und bereits von einigen ausbildenden Instituten genutzt wird. Ziel ist es, Kenntnisse über nachhaltige Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln bei Auszubildenden und Fachkräften auf- und auszubauen. Bestehende Kompetenzlücken hinsichtlich der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen der Nachhaltigkeit sollen so in der betrieblichen Ausbildung geschlossen werden, indem zum Beispiel Abfallvermeidung, der nachhaltigere Einsatz von Betriebsmitteln, nachhaltige Ernährung, Regionalität und Saisonalität, soziale Verantwortung oder auch der Transport behandelt werden. Die App nutzt unter anderem ein "Quizduell“, in dem zum Beispiel Auszubildende gegeneinander antreten können, "Challenges“ verschiedener Schwierigkeit für den Alltag wie auch im Betrieb, "Awards“ und ein Nachschlagewerk ("Wiki“). Die Lern-App ist ebenfalls kostenlos für Smartphones zu erhalten über nib-scout.de oder www.bbne.de.
Es gibt noch viel zu tun
Durch die Standardberufsbildposition und die Einbringung von Nachhaltigkeit in die Ausbildungsordnungen wurde der Rahmen zur Verankerung von nachhaltiger Entwicklung in die Berufsbildung gegeben, die Modellversuche zeigen dagegen praktisch, wie das gelingen kann. Was aktuell noch fehlt, ist eine flächendeckende Verbreitung. Die Modellversuche im Förderschwerpunkt BBNE-Transfer erzielen hierzu in Kooperation mit zum Beispiel Kammern und Bildungswerken erste Erfolge und weisen dabei auf Chancen und Stolpersteine für den Transfer von BBNE hin. Im nächsten Schritt sind größere Unterfangen im Sinne eines flächendeckenden Roll-Outs nötig, um BBNE von einzelnen, begrenzten Projekten tatsächlich in die Breite beziehungsweise in die "Strukturen“ der Berufsbildung zu bringen.
Literatur
Bellmann, Lutz/Koch, Theresa (2019). IAB-Forschungsbericht 8|2019. Ökologische Nachhaltigkeit in deutschen Unternehmen: Empirische Ergebnisse auf Basis des IAB-Betriebspanels 2018. (12.08.2022)
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (2021). Vier sind die Zukunft: Digitalisierung. Nachhaltigkeit. Recht. Sicherheit. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe. Bonn. (12.08.2022)
Bretschneider, Markus/Casper, Marc/Melzig, Christian (2020). Nachhaltigkeit in Ausbildungsordnungen verankern. Das Beispiel Hauswirtschafter/-in. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 49/2, S. 54-55. (12.08.2022)
Deutscher Bundestag (2013). Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – 17. Legislaturperiode. Berlin. (12.08.2022)
Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) (2014). Vom Projekt zur Struktur. Strategiepapier der Arbeitsgruppe „Berufliche Aus- und Weiterbildung“ in der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bonn. (12.08.2022)
DGB-Jugend (2021). Positionspapier: Transformation. Klima. Gerechtigkeit. Beschluss im DGB-Bundesjugendausschuss 25.02.2021.
(12.08.2022)
Hauff, Volker (1987). Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung.
Hemkes, Barbara (2012). Modellprojekte als Innovationspartnerschaften. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). (Hrsg.) Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012 – Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung, S. 397-398. Bonn.
Hemkes, Barbara/Kuhlmeier, Werner/Vollmer, Thomas (2013). Der BIBB-Förderschwerpunkt „Berufliche Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" – Baustein zur Förderung gesellschaftlicher Innovationsstrategien. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 42 (2013) 6, 28-31. (12.08.2022)
Kastrup, Julia/Kuhlmeier, Werner/Strotmann, Christina (2021). Entwicklung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen in der Ausbildung. Ein Strukturmodell für Lebensmittelhandwerk und -industrie. In: BWP 50 (2021) 3, S. 24–27. (12.08.2022)
Kuhlmeier, Werner u. a. (2017). Vom Projekt zur Struktur – Ein Beitrag zum Workshop WS 01 „Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung“, 19. Hochschultage Berufliche Bildung an der Universität zu Köln. Köln. (12.08.2022)
Melzig, Christian/Hemkes, Barbara/Fernández Caruncho, Verónica (2018). Wissenschafts-Politik-Praxis-Dialog zur Umsetzung einer politischen Leitidee – Erfahrungen aus den Modellversuchen zur „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung 2015–2019“. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 47 (2018) 6, S. 35-39. (12.08.2022)
Melzig, Christian/Hemkes, Barbara/Kretschmer, Susanne(Hrsg.) (2021). Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015-2019 auf dem Weg vom Projekt zur
Struktur. Bonn. (12.08.2022)
Melzig, Christian/Schütt-Sayed, Sören (2020). Welche Kompetenzen benötigt die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung? In: BIBB (Hrsg.) Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2020. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung, S. 391-393. Bonn. (12.08.2022)
Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung/Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2017). Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung. Der deutsche Beitrag zum UNESCO-Weltaktionsprogramm. Berlin. In: ICILS 2018. Waxmann Verlag: Münster. S.301-334. (12.08.2022)