02.02.2022 | Redaktion | IAB

Ausbildungsgarantie als Brücke?

Gemeinsame Veranstaltung von IAB und OECD zum österreichischen Modell

Die neue Bundesregierung will eine Ausbildungsgarantie einführen, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht. In Österreich erlernen bereits acht Prozent aller Azubis einen Beruf in einer überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA). Bei einer gemeinsamen Videokonferenz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) diskutierten Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, ob das österreichische Modell als Vorbild für Deutschland dienen kann.

Bild: goodluz/Adobe Stock

Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, erklärte beim Webinar, mit der Ausbildungsgarantie solle die duale Ausbildung in Deutschland gestärkt werden – nicht nur wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der bereits zuvor bestehenden Probleme im Bereich der dualen Ausbildung und der demografischen Entwicklung: "Wir müssen schauen, dass möglichst alle jungen Menschen eine qualifizierte Berufsausbildung bekommen." Zwei Drittel der Menschen in der Grundsicherung hätten keine abgeschlossene Ausbildung.

El Iza Mohamedou, Leiterin des OECD Skills Centre, hob in ihrem Impulsvortrag hervor, der Fokus sei dabei insbesondere auf die gezielte Unterstützung von Jugendlichen mit schwachen Grundkompetenzen zu richten. Sie nahm die unterschiedlichen nationalen Strategien im Umgang mit dieser Problematik in den Blick. Demnach zählen Deutschland, die Schweiz und Österreich zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Schülern und Schülerinnen der Sekundarstufe II, die sich in kombinierten schulischen und betrieblichen Berufsausbildungsgängen befinden.

"Wir müssen schauen, dass möglichst alle jungen Menschen eine qualifizierte Berufsausbildung bekommen." – Leonie Gebers, Staatssekretärin im BMAS

 

In Österreich gibt es bereits seit 2008 eine Ausbildungsgarantie für bis zu 18-Jährige. Seit 2017 gilt diese bis zum Alter von 25 Jahren. Martin Kocher, seit Anfang 2021 parteiloser Bundesminister für Arbeit in Österreich und zuvor Ökonomie-Professor an der Universität Wien, erläuterte die Situation im Alpenland. Das Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung durch den Arbeitsmarktservice ziele dort stets auf einen Übergang in eine betriebliche Ausbildung. Tatsächlich komme es in Österreich schon während der überbetrieblichen Ausbildung durch die Einbindung von Kooperationsbetrieben häufig zu einem Übergang in eine betriebliche Ausbildung.

Weniger Ausbildungsstellen, weniger Nachfrage

IAB-Direktor Professor Bernd Fitzenberger wies auf die sinkende Anzahl der gemeldeten Ausbildungsstellen und den Einbruch bei den gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern hin. Im September 2021 seien nach den Ergebnissen der IAB-Befragung "Betriebe in der Covid-19-Krise" 39 Prozent aller von den privaten Betrieben angebotenen Ausbildungsstellen nicht besetzt gewesen. Deshalb seien zusätzliche Angebote an berufsvorbereitenden Maßnahmen und überbetrieblichen Ausbildungsplätzen sinnvoll, wobei die Maßnahmen möglichst betriebsnah gestaltet werden müssten, um mehr Jugendliche an eine betriebliche Ausbildung heranzuführen. Zugleich müsse ein fließender Übergang aus den Maßnahmen in eine betriebliche Ausbildung sichergestellt werden, erklärte Fitzenberger. Eine Ausbildungsgarantie, die die Betriebe eng einbindet, könne daher durchaus mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung gewinnen.

Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, sieht die Einführung einer Ausbildungsgarantie kritisch. Da die Zahl der unbesetzten Lehrstellen größer sei als die der unversorgten Jugendlichen – im Gegensatz zur Situation in Österreich –, sei sie schlicht unnötig und berge zudem die Gefahr einer Abkopplung vom Markt. Aus Dercks‘ Sicht reicht der bestehende Instrumentenkasten im Prinzip aus. Allerdings könne die Mobilität der Auszubildenden, etwa durch Angebote wie ein Azubi-Ticket, noch verbessert werden.

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