12.10.2020 | Redaktion | BAG KJS
Armut mindert Zukunftschancen
BAG KJS veröffentlichte "Monitor Jugendarmut in Deutschland 2020"
Jugendarmut beschneidet die Entwicklungs- und Teilhabechancen junger Menschen erheblich und oft dauerhaft. Zusätzlich werden sie in der Corona-Pandemie durch mangelnde digitale Teilhabe abgehängt, was ihre Aussichten auf eine gute Berufsausbildung noch weiter verschlechtert. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse des "Monitors Jugendarmut", den die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) vorlegte. Darin stellt der Verband alle zwei Jahre Daten und Fakten zur Situation benachteiligter junger Menschen zwischen 14 und 27 Jahren zusammen.
Ausschnitt aus der Titelseite
Rund 3,2 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland waren schon vor der Pandemie armutsgefährdet. Die meisten von ihnen leben in Haushalten, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Deren Anzahl wird nach Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) durch die Coronakrise um 1,2 Millionen Haushalte steigen. So ist Armut nach Feststellung des Monitors eine stete Begleiterin im Leben vieler Jugendlicher: "Sie ist der Ferienkurs, der nicht besucht wird, der Schulausflug, der nicht mitgemacht wird, der Kontakt, den man nicht knüpft – weil finanzielle Mittel und soziale Teilhabe fehlen. Jugendliche, die solche Gelegenheiten verpassen, können ihre individuellen Fähigkeiten nur eingeschränkt entwickeln – und damit auch ihre Zukunftschancen." Eine Berufsausbildung gebe zwar Hoffnung auf einen sicheren Job und ein regelmäßiges Einkommen - doch bereits im Sommer habe die Bundesagentur für Arbeit coronabedingt einen Anstieg der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber geschätzt und in ihrer Statistik 47.000 weniger freie Ausbildungsplätze erfasst als im Vorjahr.
"Mobilität ist ein Privileg"
Technische oder finanzielle Unterstützung für benachteiligte Jugendliche beim digitalen Unterricht sind nach Erkenntnis der Autorinnen und Autoren des Berichts eine Ausnahme. Mit der Schließung der Schulen habe sich für arme Schülerinnen und Schüler der ohnehin erschwerte Zugang zu Bildung dramatisch verschlechtert. Es gebe Jugendliche, die schnell in einem neu strukturierten Tagesablauf mit eigenem Computer und stabilem Internetanschluss am digitalen Unterricht teilnehmen - aber ebenso auch junge Menschen, die sich selbstständig organisieren müssen, mit Geschwistern am Handy abwechseln und digitale Unterrichtsangebote schlecht oder gar nicht wahrnehmen können.
Zugleich könnten diese junge Menschen auch bei der geforderten Mobilität nicht mithalten: "Gerade von Jugendlichen mit fehlendem oder einfachem Schulabschluss wird erwartet, dass sie auch weit entfernte Ausbildungsplätze in Kauf nehmen. Doch die Wahrheit ist: Mobilität ist ein Privileg." Auszubildende könnten sich das Wohnen in einer deutschen Großstadt ohnehin kaum leisten. Finanzielle Zuschüsse oder eine Bürgschaft seien angesichts von Eltern, die sich in Geldnot befänden, aber unmöglich.
"Jugend ermöglichen"
Wie ihre Vorsitzende Lisi Maier im Monitor Jugendarmut hervorhebt, sieht sich die Bundesarbeitsgemeinschaft als Anwältin benachteiligter und beeinträchtigter Jugendlicher: "Als katholische Jugendsozialarbeit setzen wir uns für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe und eine Jugendsozialarbeit ein, die auch junge Menschen mit Behinderung oder etwa einer kognitiven Beeinträchtigung in die Ausbildung begleitet." Sie fordert deshalb neben dem Recht auf Ausbildung eine Sozial- und Jugendpolitik, die allen jungen Menschen "Jugend ermöglicht" und ihnen einen guten Weg in das Erwachsenenleben ebnet - unabhängig von der sozialen Herkunft, der finanziellen Situation der Eltern oder dem familiären Bildungsstatus.