21.01.2022 | Redaktion | FES
Arbeitsmarkt überraschend inklusiv
Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Corona und zur Integration Geflüchteter
Die Effekte der Corona-Pandemie auf die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen sind in Deutschland niedriger als erwartet. In einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt der Soziologe Matthias Knuth fest, dass die Unterschiede zwischen Geflüchteten, den übrigen Migrantinnen und Migranten sowie Einheimischen "überraschend gering" sind. Zwar wirkten die Lockdown-Maßnahmen kurzfristig heftiger auf die Situation der Geflüchteten, bei Lockerung der Maßnahmen waren für sie aber auch die Erholungseffekte stärker. Verliererinnen sind allerdings geflüchtete Frauen.
Titelseite der FES-Studie
Die Studie basiert auf drei digitalen Fachgesprächen mit ausgewählten Expertinnen und Experten. Zusätzlich wurden aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ausgewertet und eingearbeitet. Die Grundannahme von Matthias Knuth war ursprünglich deutlich pessimistischer gewesen, berichtet der Soziologe in einem Interview. So habe man eine viel stärkere Abnahme der Beschäftigung von Geflüchteten und einen verstärkten Zufluss von Geflüchteten aus Beschäftigung in Arbeitslosigkeit erwarten können: "Das ergibt sich allein schon aus den kürzeren Betriebszugehörigkeiten, die Geflüchtete haben können und dem daraus resultierenden geringeren Schutz vor Kündigungen, sowie aus der Verteilung der Flüchtlingsbeschäftigung nach Wirtschaftszweigen, Betriebsgrößen und Tätigkeitsfeldern. So war die Gastronomie beispielsweise, als ein Wirtschaftsbereich, in dem viele Geflüchtete Arbeit gefunden hatten, von den Kontaktbeschränkungen stark betroffen."
Eine Verschlechterung der Arbeitsmarktposition Geflüchteter ist nach den Erkenntnissen der Studie jedoch nicht festzustellen: Ihr Beschäftigungsstand war im Januar 2021 höher als im März 2020, unmittelbar vor dem Lockdown. Das grundsätzlich höhere Risiko Geflüchteter, aus Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt heraus arbeitslos zu werden, hat im Verlauf des Jahres 2020 sogar leicht abgenommen. Matthias Knuth: "Gegenüber der pessimistischen Erwartung hat sich der Arbeitsmarkt als überraschend inklusiv erwiesen."
Rückstand geflüchteter Frauen vergrößert
Die eigentlichen Verliererinnen der Pandemie sind geflüchtete Frauen, die zum Zeitpunkt der Befragungen noch gar nicht im Arbeitsmarkt angekommen waren, sondern gerade erst in den Integrations- und Deutschsprachkursen, die nun unterbrochen werden mussten. Keine der in der Studie untersuchten Aktivitäten wurde durch die Pandemie-Maßnahmen so stark ausgebremst wie diese Kurse. Der schon vor der Pandemie gegebene zeitliche Rückstand der geflüchteten Frauen bei Spracherwerb und Arbeitsmarktzugang wurde dadurch noch einmal vergrößert.
Insgesamt ist das Fazit der Studie für Matthias Knuth aber durchaus positiv: "Arbeitgeber, die Geflüchtete eingestellt haben, meinen es ernst und verbinden damit langfristige personalpolitische Zielsetzungen. Das ist vor dem Hintergrund der erwartbaren Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland, das in den nächsten Jahren stark abnehmen wird, vernünftig, aber man konnte nicht sicher sein, dass solche langfristigen Orientierungen in einer Situation großer Unsicherheit die Oberhand behalten." Dennoch bleibe für die Politik noch viel zu tun, damit sich die Pandemie gerade für migrierte oder geflüchtete Frauen langfristig nicht zur arbeitsmarktpolitischen Sackgasse entwickele. Die Ausschöpfung der Möglichkeiten digitaler Instrumente könne hier ein wirksamer Hebel sein. Doch gerade in dieser Hinsicht habe die Pandemie offensichtlich gemacht, wie stark deutsche Behörden hier auf allen Ebenen der Zeit hinterherhinken. Politisch gebe es also noch viel zu tun.