29.04.2021 | Redaktion | Forum Transfer

Appell für Ausbildungsgarantie

Gruppe von Expertinnen und Experten richtet Forderungen an Politik

Junge Menschen an den Übergängen von der Schule in Ausbildung und Beruf sind in Gefahr, dauerhaft von der Teilhabe am Erwerbsleben ausgeschlossen zu werden. Sie drohen in kollektiver Resignation zu versinken, der Kontakt zu vielen Jugendlichen ist bereits abgebrochen. Gleichzeitig aber wird ihre Situation von der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen. Diese alarmierende Analyse einer Gruppe von Expertinnen und Experten im Rahmen der Initiative "Forum Transfer" führt sie zu dem Schluss: Wir brauchen eine gesetzlich verankerte Ausbildungsgarantie – jetzt.

Bild: MicroOne/Adobe Stock

Besonders junge Menschen in prekären Lebenslagen, Jugendliche mit psychischen Belastungen oder mit Behinderungen sowie mit Flucht-, Migrations- und Diskriminierungserfahrungen werden aus Sicht der Expertinnen und Experten von der Politik und den Hilfsmaßnahmen während der Corona-Pandemie kaum erreicht. Die Corona-Politik sei vor allem auf schulische Bildungsabschlüsse und Betreuung fokussiert – und hier vor allem auf das Abitur. Dagegen sei es dringend erforderlich, auch die Übergänge und weiterführende berufsqualifizierende Bildungsverläufe mit in den Blick zu nehmen. Hier sei das Ausbildungsplatzangebot im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent zurückgegangen - und zugleich sei die Zahl der Jugendlichen gestiegen, über die kaum differenzierte Informationen vorliegen: "Es ist eine Art 'black box' in Bezug darauf entstanden, wie diese jungen Menschen gegenwärtig ihre Situation am Übergang in Ausbildung und Beruf erleben."

Schleichende Entkopplung junger Menschen

Das duale System hat aus Sicht der Autorinnen und Autoren des Papiers in seiner derzeitigen Form nicht mehr die Integrationskraft, um alle jungen Menschen im Ausbildungsalter zu erreichen. In der aktuellen Krise sei es deshalb vollkommen unklar, wie sie beraten und begleitet werden sollen und welche Perspektiven ihnen vermittelt werden könnten. Auch bleibe offen, wohin die jungen Menschen zwischen 16 und 19 Jahren gegenwärtig die berufsbildenden Schulen und sonstige berufsvorbereitende Maßnahmen verlassen. Die Infrastruktur an den Übergängen in Ausbildung und Beruf sei weder inklusiv noch krisenfest. Dies führe zu einer schleichenden Entkopplung junger Menschen, die dem öffentlichen "Aufmerksamkeitsradar" entgehe. Gegenüber dem Aufrechterhalten der Krisenintervention werde die Bedeutung von präventiven, sozialräumlichen und begleitenden niedrigschwelligen Angeboten unterschätzt.

"Es bedarf jetzt struktureller politischer Antworten und eines starken öffentlichen Signals für junge Menschen, dass sie nicht zurückgelassen werden." - Aus dem Positionspapier

 

In der aktuellen Situation sei es noch völlig unklar, wie sich die mittelfristige Lage im Sommer 2021 gestalten werde und mit welchen Auswirkungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt langfristig zu rechnen sei. Klar ist aus Sicht der Expertinnen und Experten aber eines: "Es bedarf jetzt struktureller politischer Antworten und eines starken öffentlichen Signals für junge Menschen, dass sie nicht zurückgelassen werden." Dazu formulieren sie konkrete Handlungsempfehlungen im Sinne einer bildungspolitischen Strategie. Nötig seien:

  • eine berufliche Ausbildungsgarantie für alle ausbildungsinteressierten jungen Menschen,
  • eine systematische Prüfung, wie Zugänge in schulische Berufsausbildungen verbessert und Potenziale für Ausbildungsanreize ausgeschöpft werden könnten,
  • eine stärkere Berücksichtigung der Berufsschulen bei der COVID-19-Krisenpolitik,
  • die Stärkung des Ansatzes der kommunalen Koordinierung, um junge Menschen besser zu erreichen,
  • der Ausbau assistierender Strukturen und die Entwicklung individueller Übergangspläne mit den jungen Menschen,
  • die Entwicklung einer niedrigschwelligen und aufsuchenden Strategie der Jugendsozialarbeit sowie
  • mehr Forschung und damit mehr Wissen über Situation und die Lebenslagen der jugendlichen Zielgruppen.

Das Positionspapier wurde als Ergebnis eines Workshops zu Übergängen in Ausbildung und Arbeit in Zeiten der Covid-19-Pandemie im Rahmen des Forum Transfer (www.forum-transfer.de) entwickelt. Forum Transfer ist eine Initiative, die sich im Frühjahr 2020 gegründet hat, um praxisnahe Unterstützungsangebote für die Kinder- und Jugendhilfe in Zeiten der Covid-19-Pandemie zur Verfügung zu stellen. Sie wird vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism) koordiniert.

Weitere Informationen

  • Forum Transfer: Positionspapier (PDF)
    Kooperationspartner im Forum Transfer sind neben dem ism das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim, das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) sowie die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH).
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