07.08.2017 | Redaktion | ZDH-Information

Allianz für Aus- und Weiterbildung

Handwerk zieht Bilanz des zweiten Jahres

Der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) legt die Bilanz 2016 der Allianz für Aus- und Weiterbildung vor. Das Handwerk hat auch im zweiten Jahr der Allianz Maßnahmen und Beratung angeboten, die zur Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen und zur Besetzung von Lehrstellen beitragen sollen. Gemeinsam mit regionalen Partnern wurden Aktivitäten zur Vermittlung und Nachvermittlung von Bewerberinnen und Bewerbern durchgeführt, um Ausbildungsangebot und – nachfrage zu koordinieren.

Logo der Allianz für Aus- und Weiterbildung

Im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung engagiert sich das Handwerk für die Stärkung des dualen Ausbildungssystems. Junge Menschen sollen eine berufliche Perspektive erhalten und künftiger Fachkräftebedarf soll gesichert werden. Die Vielfalt der Ausbildungsberufe und Fortbildungsangebote soll leistungsstarke Jugendliche, junge Menschen mit schlechteren Startchancen, Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie Menschen mit Behinderung gleichermaßen in betriebliche Ausbildung integrieren.

Angebote und Maßnahmen für förderbedürftige Jugendliche

Von den 53 Handwerkskammern in Deutschland bieten fast alle (50 von 53) verschiedene Maßnahmen zur Gewinnung und Integration von förderbedürftigen Jugendlichen in die berufliche Ausbildung an, beziehungsweise beraten zu diesen Maßnahmen.

Für Ausbildungsbetriebe mit förderbedürftigen Jugendlichen gibt es in 49 Handwerkskammern spezielle Beratungs- und Unterstützungsangebote. Die Kammern arbeiten mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen, um förderbedürftigen Jugendlichen berufliche Perspektiven aufzuzeigen. Dazu zählen Arbeitsagenturen, Berufsschulen, Förderschulen, Berufseinstiegsbegleiter und Berufsbildungsträger. Förderschülern werden bereits vor der Ausbildung Angebote gemacht, Ausbildungsberufe kennen zu lernen und sich auszuprobieren. Beispiele sind Sommercamps, Werkstattcamps (HWK Karlsruhe) oder Berufs-Starter-Workshop kurz vor Ausbildungsbeginn (HWK Chemnitz).

Assistierte Ausbildung

Das Instrument der assistierten Ausbildung, das im Mai 2015 in das Sozialgesetzbuch III aufgenommen wurde, wird von 44 der 53 Handwerkskammern beworben. Die assistierte Ausbildung richtet sich an junge Menschen, die eine individuelle Unterstützung beim Übergang in eine duale Ausbildung und auf dem Weg zu einem erfolgreichen Berufsabschluss benötigen. Ihnen und ihren Ausbildungsbetrieben steht eine professionelle Begleitung (Ausbildungsbegleiter, Sozialpädagogen und Lehrkräfte) während der gesamten Ausbildung zur Verfügung.

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen

Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen setzen bei der gezielten Berufsorientierung Jugendlicher unter Berücksichtigung ihres fachlichen und persönlichen Förderbedarfs an und bereiten auf die Aufnahme einer Ausbildung oder auf eine berufliche Eingliederung vor.

Einstiegsqualifizierung (EQ und EQ Plus)

Die Einstiegsqualifizierung orientiert sich an den Inhalten des ersten Ausbildungsjahres eines Ausbildungsberufs und soll den förderbedürftigen Jugendlichen den Weg in eine reguläre Ausbildung ebnen. Die Teilnehmer können während der Maßnahme (EQ Plus) durch ausbildungsbegleitenden Hilfen Unterstützung finden.

Ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH)

Ausbildungsbegleitende Hilfen sollen die Chancen auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss verbessern. Dazu zählen zum Beispiel Nachhilfe in Theorie und Praxis, Vorbereitung auf Prüfungen sowie Unterstützung bei Alltagsproblemen.

Mentoringprogramme

Mentoringprogramme sollen zur Stabilisierung von Ausbildungsverhältnissen beitragen, wenn Jugendliche gefährdet sind, ihre Ausbildung abzubrechen. Durch Begleitung von ehrenamtlich tätigen Mentoren (VerA, SeniorExpertenService – SES, Programme der Handwerkskammern) sollen die Jugendlichen so unterstützt werden, dass sie die Ausbildung abschließen können.

Menschen mit Behinderung

Das Handwerk unterstütz aktiv das Recht von Menschen mit Behinderung auf berufliche und gesellschaftliche Teilhabe. Im Rahmen von Aus- und Weiterbildung bieten alle Handwerkskammern individuelle Beratung für Jugendliche mit Behinderung an sowie für Betriebe, die Menschen mit Behinderung beschäftigen oder beschäftigen wollen. In der Mehrzahl der Kammern werden die Beratungen durch die Aus- und Weiterbildungsberater oder die Prüfungsabteilungen durchgeführt. In 18 Handwerkskammern gibt es Inklusionsberater, die als zentrale Ansprechpartner fungieren.

Die Mehrzahl der Handwerkskammern (47 von 53) bieten spezielle Beratungs- und Informationsangebote für die Gewinnung und Integration von Jugendlichen mit Behinderung an. Betriebe erhalten Unterstützung oder werden für die Ausbildung beziehungsweise Beschäftigung von Menschen mit Behinderung geworben.

Die Handwerkskammern befördern den Inklusionsprozess auch darüber hinaus. Es gibt intensivierte Kooperationen mit Förderschulen oder Schulen für Hör- oder Körpergeschädigte, wie es die Beispiele der Handwerkskammern Freiburg, Ostmecklenburg-Vorpommern und Köln zeigen. Die Handwerkskammer Cottbus zeigt, wie sich Vorurteile bei den Betrieben abbauen und erste Kontakte zwischen Betrieben und Jugendlichen mit Behinderung herstellen lassen. In Cottbus haben sich dafür Veranstaltungsformate wie das „inklusive Frühstück“ und spezielle Arbeitgeberinformationsabende bewährt.

Junge Erwachsene über 25 Jahre ohne Berufsabschluss

Für junge Erwachsene der Altersgruppe 25 bis 34 Jahre, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, halten 38 Kammern spezielle Angebote für die Vermittlung in betriebliche Ausbildung bereit. Eine (aufsuchende) zielgruppengerechte Ansprache und Hinführung zu einer Ausbildung erfolgt zum Beispiel im Rahmen spezieller Projekte der Handwerkskammern Flensburg und Freiburg/Breisgau. Außerbetriebliche Lehrgänge zur Hinführung auf die Externenprüfung bieten 22 Handwerkskammern an.

Die Handwerkskammern Cottbus, Ostthüringen, Hamburg und Reutlingen heben dies bei der Nennung erfolgreicher Projekte ausdrücklich hervor. Projekte zur abschlussbezogenen Nachqualifizierung werden zudem von den Handwerkskammern Pfalz, Erfurt, Oberfranken sowie Südthüringen durchgeführt.

40 Handwerkskammern kooperieren bei der Nachqualifizierung von jungen Erwachsenen mit anderen Partnern. Die Handwerkskammern Frankfurt-Rhein-Main, Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim zum Beispiel, bieten Projekte an, die durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden. In Verbindung mit umschulungsbegleitenden Hilfen führt die Handwerkskammer Ostfriesland Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durch. In Osnabrück besteht darüber hinaus seit 2015 ein Förderzentrum in dem Teilnehmer aus dem SGB II-Bereich Berufstrainings absolvieren können.

Insgesamt bieten 45 Handwerkskammern mindestens ein Beratungs- oder Förderangebot für die Ausbildung oder Nachqualifizierung junger Erwachsener über 25 Jahre an. Das sind fünf Kammern mehr als im Vorjahr.

Ausländische Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshintergrund

Im Handwerk werden zahlreiche Jugendliche mit Migrationshintergrund und ausländische junge Menschen ausgebildet. Sie kommen aus über 150 verschiedenen Staaten und haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe. Da sie mit dem System der dualen Ausbildung und vor allem dem Stellenwert der Aus- und Weiterbildung in Deutschland oft nicht vertraut sind, ist eine individuelle Ansprache und Beratung erforderlich.

Die Jugendlichen sollen direkt angesprochen und ihre Eltern gezielt eingebunden werden. Wichtig ist auch die Gewinnung von Betriebsinhabern mit Migrationshintergrund für die duale Ausbildung. Die Beratungen werden durch fremdsprachige Flyer oder kurze Filme zur dualen Ausbildung flankiert. Alle Handwerkskammern beschäftigen spezielle Berater für diese Zielgruppe (zum Beispiel Ausbildungsberater, Migrationsnetzwerker, Migra-Mentoren, Vermittler und Willkommenslotsen). Teilweise haben diese Ansprechpartner selbst einen Migrationshintergrund, der sich als „Türöffner“ bewährt hat. Die Beratung wird durch verschiedene Projekte und Initiativen unterstützt, zum Beispiel durch eine deutsch-türkische beziehungsweise deutsch-polnische Ausbildungsmesse, durch interkulturelle Trainings für Betriebsinhaber und Ausbilder, Infostunden und Berufsorientierungsangebote. In diese Initiativen werden regelmäßig Migrantenorganisationen und –verbände eingebunden.

Durch die Beratung und Unterstützung von Betriebsinhabern und Ausbildern mit Migrationshintergrund fördern 38 Kammern die Ausbildungsbeteiligung von jungen Migranten. Das Projekt MobiProEU, an dem sich zahlreiche Kammern beteiligen, hat die Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa zum Ziel. Die Kammern unterstützen Betriebe, freie Lehrstellen mit jungen motivierten Menschen zu besetzen, die beispielsweise aus Spanien und Polen kommen.

Asylbewerber, Geflüchtete und Geduldete

Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben gezeigt, dass der Informationsbedarf zum dualen Bildungssystem und zu den Karrierechancen im Handwerk ausgesprochen hoch ist. Aufgrund des heterogenen Sprach- und Bildungsniveaus der Geflüchteten ist zudem häufig eine intensive Berufsvorbereitung erforderlich.

Nahezu alle Handwerkskammern (52 von 53 Kammern) haben spezielle Ansprechpartner für ausbildungsinteressierte Menschen mit Fluchterfahrung sowie für Betriebe, die Geflüchtete ausbilden wollen oder bereits ausbilden. Viele Handwerkskammern haben Willkommenslotsen, Flüchtlingsnetzwerker, Flüchtlingskoordinatoren, Migrationsbeauftragte oder andere Berater mit ähnlichen Aufgaben. Darüber hinaus haben die Kammern zahlreiche Informationen für die Zielgruppen im Internet eingestellt. Spezielle Unterstützungsprogramme für die Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung von Geflüchteten werden von 50 Handwerkskammern (unter anderem im Rahmen der gemeinsamen Initiative "Wege in Ausbildung für Flüchtlinge" von BA, BMBF und ZDH)angeboten. Projekte zur Betreuung und Begleitung während der Ausbildung gibt es bei 47 Kammern. Die bayrischen Handwerkskammern haben Ausbildungsakquisiteure und -begleiter für Geflüchtete, die Handwerkskammer Freiburg hat einen "Kümmerer" eingestellt.

Unterstützend für die Integration in Ausbildung wirken sich betriebliche Praktika und die betriebliche Einstiegsqualifizierung aus, die über die Handwerkskammern eingeworben werden. Weiterhin bieten die Kammern interkulturelle Trainings für Betriebsinhaber und Ausbilder an (HWK Potsdam). Das Engagement des Handwerks wird durch diverse Länderprogramme unterstützt, so durch eine entsprechende Vereinbarung in Bayern, das Programm IHAFA in Niedersachsen, "Integration durch Ausbildung" (Baden-Württemberg) und "Wirtschaft integriert" (Hessen). Ein entscheidender Gelingensfaktor ist immer die regionale Vernetzung aller relevanten Akteure. Unterstützt wird die regionale Kooperation und Vernetzung durch die Mitarbeit an Runden Tischen und die Einrichtung von Kontaktstellen für Betriebe aller Wirtschaftsbereiche, wie in Berlin.